: Der pure Subventions-Unfug?
■ EU-Kommission kritisiert Stahlwerkssubvention, Wirtschaftsbehörde winkt ab
„Es ist nicht leicht, den Betrug nachzuweisen. Unsere Recherchemöglichkeiten sind begrenzt. Wir versuchen aber wenigstens manchmal ein Zeichen zu setzen.“ Mit resignativem Trotz erläutert einer der EU-Ermittler der taz den jüngsten Vorstoß der Europäischen Kommission, von den Ende 1994 an die indisch-indonesische Ipsat-Gruppe verkauften Hamburger Stahlwerken (HSW) die Rückzahlung eines zu Unrecht erhaltenen Subventionsbetrages zu fordern.
Das Verfahren ist kompliziert: Die EU-Kommission hat die Bundesregierung aufgefordert, Hamburg zu zwingen, innerhalb von zwei Monaten zu erklären, wie es sich der EU-Maßnahme fügen will. Hamburg will im Gegenzug Bonn auffordern, beim Europäischen Gerichtshof gegen die EU zu klagen. Das entsprechende Verfahren wird mehrere Jahre dauern. Siegt Bonn, passiert gar nichts. Verlieren Bonn und Hamburg, dann muß die Ipsat bis zu 100 Millionen Mark zurückzahlen. Die Stahlwerke wären sofort bankrott, die Kredite der Landesbank notleidend, die Bürgschaften der Stadt würden fällig.
Die Ipsat könnte aber auch vor deutschen Gerichten gegen den EU-Entscheid klagen, die Strafe zu lindern. In der Sache deshalb gelassen, verbal aber flott gibt sich die subventionsfederführende Wirtschaftsbehörde. Sprecher Rainer Erbe: Die Brüssler Vorwürfe seien „purer Unfug“, schließlich habe die Stadt mittlerweile für einen Verkauf der HSW „zum Marktpreis“ gesorgt, die Ipsat profitiere somit keineswegs von Subventionen. Allerdings, so räumt er ein: „Was früher war, daran rühren wir lieber nicht.“
Kein Wunder: Seit der Inbetriebnahme der Stahlwerke am 25. April 1972, damals von Wirtschaftssenator Helmuth Kern als „ein Bilderbuchbeispiel für industrielle Strukturpolitik“ gefeiert, haben Stadtvertreter intern immer wieder eingeräumt, daß die Stadt EU-Subventionsvorschriften umgehe. Vollends undurchschaubar wurde das Wirrwarr, als der SPD-Haushaltsausschußvorsitzende Gerd Weiland Anfang der 80er Jahre die bankrotten Stahlwerke in einer genialen Konstruktion von Bürgschaften (Senat), Krediten (Landesbank) und persönlichem Besitz (Weiland als Miteigentümer der Stahlwerke) rettete.
Weilands filigrane Konstruktionen, denen am Ende selbst die filzgewohnte Kreditkommission der Bürgerschaft kaum noch folgen konnte, verknäulten sich bei den Rettungsaktionen nach einer neuerlichen Stahlkrise Anfang der 90er Jahre zu einem gigantischen Knäuel, dem die Stadt durch den Rauswurf Weilands und dem Verkauf der HSW endgültig zu entkommen hoffte. Bürgermeister Peter Schulz ahnte den wegweisenden Doppelsinn seiner Worte nicht, als er sich 1972 bei der Stahlwerkseinweihung über eine „vielversprechende Bereicherung der Wirtschaftsstruktur“ freute. Florian Marten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen