: Kuh im Aquarium
■ Umstrittene Kunstinstallation empört gesundes Volksempfinden von Tierschützern
Dublin (taz) – Die Londoner Tate Gallery hat gestern das neueste Werk des britischen Künstlers Damien Hirst kurz vor der Eröffnung der Turner-Preis-Ausstellung zurückgezogen – aus Sicherheitsgründen. Die Arbeit „Mutter und Kind, getrennt“ besteht aus vier Formaldehyd-Aquarien, die jeweils eine längsseitig geteilte Hälfte einer Kuh und ihres Kalbes enthalten. Ein Sprecher der Galerie sagte, daß die Glaswände und Dichtungen verstärkt werden müssen, damit keine BesucherInnen gefährdet werden, falls ein Leck entstehen sollte.
Vermutlich dachte man dabei vor allem an Sabotageakte von TierschützerInnen, die Hirsts Werk als „krank“ bezeichneten und gegen die Installation protestierten.
Es handelt sich um einen Beitrag zur Ausstellung von vier KünstlerInnen, die in die engere Auswahl für den mit umgerechnet 46.000 Mark dotierten Turner- Preis gekommen sind. Hirst gilt als Favorit. „Die Aquarien sind so plaziert, daß der Betrachter zwischen den getrennten Tieren hindurchlaufen und die gegen das Glas gedrückten Eingeweide und das Fleisch untersuchen kann“, heißt es im Ausstellungskatalog. „Für manche mag das abstoßend, ja sogar ekelerregend sein. Bei anderen löst es ein melancholisches Einfühlungsvermögen aus.“ Das Werk soll jetzt – mit verstärkten Dichtungen und Glaswänden – ab Montag in der Tate Gallery zu sehen sein.
Hirst hatte schon früher bei seinen Ausstellungen Ärger bekommen. Sein totes Schaf in Formalin hatte ein empörter Galeriebesucher vor zwei Jahren in London mit einem Fäßchen schwarzer Tinte ruiniert. Und eine New Yorker Galerie zog die halbverwesten Kadaver einer Kuh und eines Bullen – eine ausgeklügelte Hydraulik im Innern der Kadaver simulierte Kopulation – von der Ausstellung zurück: BesucherInnen könnten sich wegen des Gestanks übergeben, erklärte ein Sprecher der Galerie. Hätte man den Glasbehälter dagegen versiegelt, wäre er aufgrund der Verwesungsgase möglicherweise explodiert. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen