Erbhof friedlich geräumt

■ Borttscheller „stolz auf Abwicklung des Weidedamms“

Erbschaften haben auch Nachteile: Schulden, Schrott und Schlampereien gehören mit zum Nachlaß. Ralf Borttscheller, CDU-Innensenator, gab sich gestern trotz der „Erblasten der Ampel-Koalition“ zufrieden mit dem ersten Ergebnis seines politischen Wirkens: Die besetzten Parzellen am Weidedamm sind geräumt. „Niemand hätte gedacht, daß wir das Problem am Weidedamm III noch in diesem Herbst so friedlich lösen könnten“, sagte Borttscheller gestern.

Das sah im Frühjahr anders aus. Von einem „heißen Herbst“ redeten die verantwortlichen Senatoren van Nispen und Fücks damals, BürgerInnen hatten Angst, daß eine Horde unkontrollierbarer Jugendlicher durch die Stadt ziehe. Nichts von dem ist eingetroffen. Das ist allerdings nicht das Verdienst des Christdemokraten.

Im Mai 1993 rückte die Findorffer Polizei das erste Mal aus, um ein besetztes Haus in der Karl-Thomer-Allee zu räumen. Statt loszubrettern, ließ sich Revierleiter Bertram Kittel auf ein Gespräch mit den BesetzerInnen ein. „Wir hätten damals ein Exempel statuieren können“, sagte Kittel gestern. Ob der friedliche Weg damals ein Fehler war, läßt sich heute nicht mehr sagen. Kittel war nach dem Kompromiß zwischen BesetzerInnen und Ralf Fücks klar: „Mit polizeilicher Gewalt kriegen wir das nicht mehr in den Griff“.

Der Beamte wurde kreativ: In kleinen Trupps habe er Polizisten in das Parzellengebiet geschickt, immer dieselben in immer demselben Auto. Nach langem Hin und Her durfte Kittel einen Jeep ohne Polizeibemalung anschaffen, die Kontaktbeamten haben keine Waffen getragen. „Die Knie haben uns gewackelt“, sagte Kittel, wenn die Weidedämmler mit Messern und Eisenrohren vor ihnen gestanden hätten.

Die PolizistInnen blieben beharrlich, übernahmen die Arbeit der SozialarbeiterInnen. Die ließen sich nach übereinstimmenden Äußerungen von BesetzerInnen und AbräumerInnen dort kaum sehen. Als Anfang 1995 die Bagger anrollten, entflammten die Konflikte erneut. Doch auch Baustellenleiter Ellmers traute sich in das unübersichtliche Gelände. Zusammen mit den von der Gewoba angeheuerten Sicherheitsleuten unterstützte er die unliebsamen BewohnerInnen.

„Das sind ganz normale Leute – setzt Euch mit ihnen auseinander“, sagte Ellmers gestern: „Gebt ihnen ein Gelände“. Das wird Ralf Borttscheller nicht tun. Im Bauwagen zu leben „ist keine förderungswürdige Wohnform“, findet er. Überhaupt sei die friedliche Lösung von ihm im Juli nur wegen der niedrigeren Kosten gewählt worden: Szenarien hätten gezeigt, daß mindestens zwölf Hundertschaften Polizei nötig gewesen wären, um den Weidedamm zu räumen. ufo