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Was Leichtes aus Metall

Die Erfinder des stählernen Rost-Logos vor der Volksbühne machen sich als Möbeldesigner einen Namen: „Mobile Metallico“ in Mitte  ■ Von Petra Brändle

Rund zwei Jahre hat es gedauert, bis das Rad ins Rollen kam, bis der Sohn des Eisenwarenhändlers zum stählernen Rost-Logo kam. Zwei Jahre, bis das Geld aus dem Etat der Berliner Volksbühne abgezwackt werden konnte. Nun trotzt das stadtbekannte Räuberrad-Symbol vor dem Theater, auf der einzigen Rasenfläche weit und breit, Wind, Wetter und auch so manchem Donnerwetter der Theaterkritiker: ein unverrückbarer Anker für Frank Castorfs Panzerkreuzer, der selbsternannten Rebellenbühne.

Die Erfinder dieses Eisenrades logieren in einer Fabriketage nur wenige Minuten entfernt von der Volksbühne. „Mobile Metallico“ ist hier zu Hause. Andreas und Rainer Haußmann bauen die Metallmöbel, zwei Quereinsteiger wie's querer nicht geht. Andreas Haußmann, 39, war Kameraassistent, sein 34jähriger Bruder Automechaniker. Wer sich bei „Mobile Metallico“ genauer umsieht, sieht das Rad vor der Volksbühne plötzlich in ganz neuem Licht. Subtile PR-Arbeit. Und ultraprofessionell dazu. Denn bei den Brüdern Haußmann stehen die Stahl-Holz- Möbel meist auf Rädern. Die beiden waren es, die Schränken, Betten und Beistelltische das Laufen lehrten und damit international das Möbeldasein in Bewegung brachten. Zumindest beanspruchten die beiden Designer diese Trendsetzung für sich.

Die Möbel sollen leicht verrückbar sein, so Andreas Haußmann, möglichst flexibel. Die Krönung: ein rund zwei Meter langes, metallenes Halbrund mit zwei Lederpolstern, einer Brücke auf vier großen Rädern nicht unähnlich. Dieser „Hocker“ für zwei Personen läßt sich wenden und zur Liege umfunktionieren. „Form follows function“, die Designerdevise à la Bauhaus, reicht den beiden Bastlern offensichtlich nicht. Multifunktional gar muß es sein, nach Möglichkeit kombiniert mit erfinderischem Witz. So werden Schrankgriffe auch mal zu abnehmbaren Magneten oder gleich zum Spiel, wie die weißen Magnetkreuze und -kreise auf dem Schrankregal mit den in dreimal drei Reihen angeordneten Schränken. Außerdem erfüllen die Räder auch in ästhetischer Hinsicht ihre Funktion: Die schweren Metallmöbel bekommen so etwas Leichtes, erklärt Rainer Haußmann. Tatsächlich, wer wünscht sich so etwas nicht: ein riesiges Doppelbett, das mit seinem abgerundeten Alurahmen und den Rädern an einen spacigen Oldtimer-Rennwagen erinnert. Selber schuld, wer da immer in der gleichen Zimmerecke parkt.

Seit sechs Jahren sind sie nun im Geschäft, und das eher zufällig. Irgendwie kam die Gelegenheit, die Möbel, die sie aus Spaß an der Freude gebaut hatten, in einer Kreuzberger Fabriketage auszustellen, irgendwie kam es daraufhin zu überaus positiver Resonanz und Einladungen zu Messen in München und Köln. Keine sieben Monate waren sie damals mit Möbeln beschäftigt, als der italienische Produzent Bucciarelli ihre gesamte Kollektion auf der Kölner Messe unter Lizenz nahm. Ein Senkrechtstart. Auch ein Druck? „Nee, eine Herausforderung“, lacht Andreas Haußmann. Um darüber nachzudenken, sei auch gar keine Zeit geblieben, ergänzt sein Bruder. Nachdrücklich trimmte sie der Produzent auf eine günstige serielle Möbelproduktion, auch wenn er keine Massenware vertreibt. So mußten die schönen Schrauben eines Stuhls, der für 210 Mark verkauft werden sollte, gegen billige Kreuzschlitzschrauben ausgetauscht werden.

Ganze drei Prozent des Ladenpreises erhalten die beiden neben der einmaligen Lizenzgebühr pro verkauftem Möbelstück. Ihre schöne Schrank-Regal-Kombination allerdings bringt nur wenig ein. Denn kaum war das ovale Halbrund mit der verschiebbaren Front auf der Messe, hatte es ein Massenmöbelproduzent kopiert und für ein Zehntel des Preises auf den Markt gebracht. Den Urheberrechtsstreit verloren die Haußmanns, weil die Kopie geringe Veränderungen aufwies. „Tja, Pech“, Andreas Haußmann tröstet sich mit dem Wissen, daß es Designer gibt, die es mit einem einzigen Stuhl zum Millionär gebracht haben. Im Normallfall muß ein Möbeldesigner seine Möbel jedoch bei fünf bis zehn Produzenten stehen haben, um gut davon zu leben.

Andernfalls sichern, wie bei den Haußmanns, Inneneinrichtungsgestaltungen für Restaurants oder Büros das tägliche Brot. Dies ist auch der Grund, weshalb die Haußmanns nicht dazu kommen, all die Ideen, die sie als Skizzen festgehalten haben, in Prototypen umzusetzen. Außerdem fungiert, und auch das will organisiert sein, ihre Fabriketage als Ausstellungsraum, „um das Thema Möbel aufs Tapet zu bringen“. Die Apfelsinenkisten hochzustapeln reicht ihnen nicht, es müsse eine „Idee“ des Möbelstückes spürbar werden. Ein Forum für die Form also bieten sie auf 180 Quadratmetern für einen einzigen Designer – ein Luxus, den sich Möbelhäuser gewiß nicht leisten. Derzeit zu besichtigen: Hans- Jürgen Pahls Stahl-Holz-Möbel. Konsequentestes Stück des Berliner Designers ist wohl der „Dreiecks-Stuhl“. Dabei schließen sich bei gebotenem Sitzkomfort Stuhlbeine und Rückenlehne zum Dreieck, und auch aus der Frontalsicht ist ein dreidimensionales Dreieck zu entdecken.

Im Frühjahr wollen die Haußmanns den Ausstellungsraum wieder selbst bestücken. Mit einer Kollektion, von der sie bisher nur wissen, daß sie wohl nicht metallhaltig sein wird wie bisher. Gehörten sie vor sechs Jahren mit ihrem „Stahlträger“ zu den Trendsettern des Metallinterieurs und integrierten später aus Sitzkomfortgründen auch Holz, Leder und Polster, sinnieren sie nun über Neues. Etwas, das „fern jeglichen Designerschnickschnacks liegt, weil für uns die einfachen Formen immer die bessere Lösung sind“. Nur so viel verraten die beiden.

Mobile Metallico, Joachimstraße 11, 10119 Berlin, (282 87 25), Öffnungszeiten Di.-Sa. 13-19 Uhr.

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