: Daiwa zur Strafe verkauft
Regierungen in Washington und Tokio verfügen Sanktionen. Weltgrößter Bankkonzern Sumitomo soll Daiwa offenbar übernehmen ■ Aus Tokio Georg Blume
Der Skandal um die Milliardenverluste der Daiwa-Bank in New York hat eine neue Wende genommen. In Tokio hieß es, daß Daiwa demnächst mit der größten Bank der Welt, Sumitomo, fusionieren wird. Gleichzeitig ließ die amerikanische Staatsanwaltschaft überraschend den ehemaligen Filialleiter von Daiwa in New York, Masahiro Tsuda, festnehmen. Bisher waren die ermittelnden Behörden davon ausgegangen, daß es sich bei der Verheimlichung von Verlusten über annäherend 1,1 Milliarden Dollar aus dem Geschäft mit US- Regierungsanleihen um den fragwürdigen Geniestreich eines Einzelgängers gehandelt hatte.
Diese Version der Geschehnisse, aufgrund der der frühere Daiwa-Händler Toshihide Iguchi derzeit in New York vor Gericht steht, muß nun offenbar revidiert werden. Gleichzeitig aber zeichnet sich nach japanischen Medienberichten eine industriepolitische Lösung der Affäre ab: Daiwa gibt zunächst alle Auslandsaktivitäten an Sumitomo ab, um später ganz mit der Nummer eins im weltweiten Bankwesen zu fusionieren.
Daiwas Name ist offenbar auch in Japan nicht mehr zu retten. Inzwischen geht man in Tokio davon aus, daß auch die japanische Geschäftsleitung der Bank über sehr viel längere Zeit als bisher angenommen von den illegalen Geschäften des Toshihide Iguchi Kenntnis genommen und sie anschließend verschwiegen hatten. Iguchi hat eingeräumt, mehr als elf Jahre lang die Unterschriften von An- und Verkaufsbescheinigungen für US-Regierungsanleihen gefälscht zu haben.
Davon unabhängig kündigten die amerikanische Zentralbank und das japanische Finanzministerium am Donnerstag und Freitag aufgrund der Zeitverschiebung fast zeitgleich strenge Strafmaßnahmen gegen die Geschäftsführung der Daiwa-Bank an. Demnach muß die Daiwa-Bank in Zukunft alle Auslandsaktivitäten einstellen und nach Einschätzung ihres Präsidenten 2.500 Mitarbeiter entlassen. In den USA verfügte die Zentralbank die Schließung aller 18 Daiwa-Niederlassungen innerhalb von 90 Tagen. Dabei warfen die US-Behörden der japanischen Bank „sehr gravierende Unternehmensverbrechen“ vor.
Das japanische Finanzministerium verbot der Bank darüberhinaus weitere Geschäfte im Devisenhandel und die Eröffnung neuer Filialen im Ausland. Hinter den japanischen Maßnahmen verbirgt sich freilich nach Einschätzung von Beobachtern in Tokio der Fusionsplan mit Sumitomo.
Zuvor hatte das Finanzministerium in Tokio erstmals Fehler im Umgang mit dem Daiwa-Skandal eingeräumt: „Es ist fraglich, ob unsere anfänglichen Betrachtungen in dem Fall angemessen waren“, räumte Yoshinmasa Nishimura, Leiter der Bankabteilung im Ministerium, ein. Sein Zugeständnis, das nach japanischen Regeln einem schmerzlichen Gesichtsverlust gegenüber den Behörden in Washington gleichkommt, könnte helfen, den sich zuspitzenden Streit über die laxen Kontrollmechanismen im japanischen Bankwesen zu entschärfen.
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