: Der Rebell, der keiner sein will
■ Gesichter der Großstadt: Klaus-Uwe Benneter, SPD-Landesschatzmeister, gehörte früher zum marxistischen Flügel. Heute will er aus der Großen Koalition aussteigen
Manche Menschen können vor der Geschichte fliehen und werden doch immer wieder von ihr eingeholt. „Ach ja, die alten Artikel“, sagt Klaus-Uwe Benneter und blickt zum Wandkalender in seiner Kanzlei in Steglitz, „die habe ich schon lange nicht mehr gelesen.“
„SPD-Landesschatzmeister Klaus-Uwe Benneter“ – das klingt nach Akten und nochmals Akten. Folglich zucken die Jüngeren mit den Achseln, wenn sein Name fällt, und nur die ergrauten sozialdemokratischen Lehrer werden stets wehmütig. Ja, was waren das noch für Zeiten, als sie Mitte der Siebziger in der SPD Solidaritätsfeste für ihren „Klaus-Uwe“ organisierten, die Faust reckten und mit ihm von einer „sozialistischen Bundesrepublik“ träumten. Vorbei, vorbei.
Lange Zeit scherte sich niemand mehr um Klaus-Uwe Benneter, und er drängte sich auch nicht auf, verwaltete lieber still das Geld und hielt sich öffentlich zurück, wenn sich seine Partei stritt. Doch dann kam die Berliner Wahl, die SPD rutschte in den Keller, und plötzlich erinnerten sich die Medien an jenen Klaus-Uwe Benneter, der 1977 als Juso-Bundesvorsitzender die Kommunisten als „politische Gegner“ und die CDU als „Klassenfeind“ bezeichnete. Kurz darauf flog er aus der SPD.
In der Wahlnacht des 22. Oktober 1995 war Benneter plötzlich wieder ein gefragter Mann, weil er als einer der wenigen aussprach, wovor sich andere SPD-Spitzen fürchten: Die Partei müsse zurück auf die Oppositionsbänke, ansonsten werde eine Kraft für „mögliche gesellschaftliche Reformen“ durch Auszehrung in der Regierung verschwinden.
Seitdem firmiert der heute 48jährige wieder unter dem Signet, das er nie für sich in Anspruch genommen hat und mit dem er doch wieder belegt wird: Rebell in einer Partei zu sein, die an Rebellen so arm geworden ist. Dabei eignet sich gerade die Frage, welche Rolle die SPD spielen soll, am wenigsten zur Wiederherstellung des Klischees vom „Altlinken“, der seine Partei wieder das Fürchten lehrt. Als bedürfte es noch eines Beweises, wie unsinnig die ganze Aufregung um seine Person doch eigentlich ist, spricht Benneter in diesen Tagen gerne vom seinem Kontrahenten, dem Ex-SPD-Innensenator Erich Pätzold. Der wolle ja auch die SPD aus der Großen Koalition herauslösen. Benneter geht es um „seine Partei“, in die er 1965 eintrat, die ihn zwölf Jahre später ausschloß, um ihn dann 1983 wieder aufzunehmen. Die SPD und der Landesschatzmeister – das ist eine schwer nachvollziehbare Liebesgeschichte. An „seiner Partei“ hielt Benneter fest, auch wenn ihn der Rausschmiß von einem Teil seines „emotionalen Lebens“ abgeschnitten habe. Um so mehr verletzen ihn Äußerungen von SPD- Senator Nagel, den die jetzigen Diskussionen an eine „Selbsterfahrungsgruppe“ erinnern.
Zur SPD kehrte der Verstoßene zurück, weil die Grünen „nie in Frage“ kamen und weil die Hausmacht seiner ärgsten Widersacher Helmut Schmidt und Herbert Wehner Anfang der achtziger Jahre gebrochen war. Als wollten die Genossen Buße leisten, machten sie ihn 1989 zum Gesundheitsstadtrat von Zehlendorf, ein Amt, das er drei Jahre lang bekleidete. Nicht ohne Stolz erzählt er, daß er sich seit seiner Wahl zum Landesschatzmeister 1990 zweimal gegen Kontrahenten durchsetzen konnte – zuletzt allerdings mit einer hauchdünnen Mehrheit gegen den damaligen Jugendsenator Thomas Krüger.
Der in der SPD wiedergeborene Benneter mag noch so aussehen wie der Benneter der Siebziger, das Haar stets gescheitelt, mit einem sympathischen Lächeln. Das Vokabular aber, das ihm so sehr geschadet hatte, kommt nicht mehr über seine Lippen. Einst hatte er zu den Anhängern der Theorie des „Staatsmonopolistischen Kapitalismus“, kurz Stamokap, gehört.
Wie viele seiner damaligen Juso-Genossen war er davon überzeugt, daß der Staat den Zusammenbruch des Kapitalismus dadurch verhindere, daß er Großunternehmen tatkräftig unter die Arme griff. „Stamokap“, sagte er noch in den Achtzigern in einem taz-Interview, habe „mehr Diskussionen verhindert als ermöglicht“, die Theorie selbst sei aber „nicht falsch“ gewesen.
Auf Fragen nach marxistischen Büchern flüchtet der Rechtsanwalt und Notar heutzutage lieber in ein verschmitzten Lächeln und klopft dabei auf einen Stapel mit juristischer Fachliteratur. Wie immer sich die SPD entscheiden wird, für Benneter waren die letzten zwei Wochen ein Gewinn: „Ich freue mich, nach langer Zeit endlich mal wieder etwas zu sagen, hinter dem ich zu hundert Prozent stehe.“ Severin Weiland
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