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Starke Frauen in Männerland

Frauen sind in Irland der Motor für soziale Veränderungen. Bis zur Gleichstellung der Geschlechter allerdings ist noch ein weiter Weg  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

„Frauenquote?“ fragt die irische Feministin Anne O'Connell. „Das ist eine gönnerhafte Geste von Männern. Die irischen Frauen haben sich alles, was sie erreicht haben, hart erkämpfen müssen. Die sozialen Veränderungen, die in den letzten Jahren stattgefunden haben, sind einzig und allein dem Einsatz von Frauen in Politik und Gesellschaft zu verdanken.“ Es gebe jedoch keinen Grund, sich zufrieden zurückzulehnen, dazu sei einfach noch zuviel zu tun.

In der frühen Kulturgeschichte gab es zahlreiche herausragende Frauenpersönlichkeiten, doch seit der Christianisierung ist Irland ein Männerland, in dem sich nur wenige Frauen politisches Gehör verschaffen konnten. Trotz vieler Verbesserungen ist Gleichberechtigung noch immer ein Fremdwort, weniger als ein Drittel der Frauen arbeitet. Das liegt zum Großteil an der restriktiven Familienpolitik, deren Konsequenzen vor allem Frauen zu tragen haben. Noch immer hat Irland die höchste Geburtenrate in der EU (2,11); 1970 lag die Zahl allerdings noch bei 3,89.

In der irischen Verfassung von 1937 gibt es einen Paragraphen, der die Familie zur Grundlage des Staates erklärt. Bis in die siebziger Jahre wurden verheiratete Frauen aufgrund dessen an den Herd verbannt: Lehrerinnen, Stewardessen und andere Staatsangestellte verloren am Tag ihrer Hochzeit den Job. Das widerfuhr auch Eithne FitzGerald, die als Beamtin im Finanzministerium arbeitete. Als sie 1973 heiratete, war sie ihre Stelle los.

Knapp 20 Jahre später gewann die noch immer Arbeitslose bei den Wahlen die landesweit größte Mehrheit, zog ins Parlament ein und wurde zur Staatsekretärin im Finanzministerium ernannt. Eine späte Rache? „Es ist ein schönes Gefühl, dorthin zurückzukehren, wo man dich einst hinausgeworfen hat“, gibt die Labour-Politikerin zu. „Ich glaube, daß man Frauen nicht länger mit Gesundheit und Soziales abspeisen kann.“

Neben Eithne FitzGerald sitzen fünf weitere Frauen im Kabinett. Insgesamt gibt es 20 weibliche Abgeordnete im Parlament; das sind 12,5 Prozent. Ihr Einfluß ist jedoch weitaus größer, als dieser noch immer bescheidene Prozentsatz vermuten läßt. Unabhängig von Parteizugehörigkeit treffen sich die 20 Abgeordneten einmal im Monat zu einem „Arbeitsfrühstück“, auf dem die Themen diskutiert werden, die vor allem Frauen betreffen. „Frauen haben einen ganz anderen Blickwinkel auf Themen als Männer, die mit bestimmten Problemen einfach noch nie konfrontiert waren“, sagt Eithne FitzGerald. Mary O'Rourke, stellvertretende Vorsitzende der größten Partei Fianna Fail (Soldaten des Schicksals), sagt, daß sie bei parlamentarischen Anfragen häufig Anregungen von Frauen aus anderen Parteien berücksichtigt. Bei den Männern wäre eine solche parteiübergreifende Kooperation undenkbar.

Ein Alibi-Mann muß unbedingt dabei sein

Vorbei sind die Zeiten, als der EU- Kommissar für soziale Angelegenheiten, Padraig Flynn, der Präsidenschaftskandidatin Mary Robinson 1990 vorwerfen konnte, sie vernachlässige ihre Familie zugunsten ihrer politischen Ambitionen. Dieser dumme Satz des irischen Paradechauvis trug wohl mit dazu bei, daß Frauen aller politischen Couleur für die linke Feministin stimmten. Die Wahl Mary Robinsons gilt als Wendepunkt in der irischen Politik.

Als sie noch Anwältin war, hatte sie mit ihrer Klage vor dem den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte den Grundstein für die Reform des Homosexualitätsverbots gelegt. 1993 mußte die Regierung dieses Verbot aus dem Jahre 1861 aufheben. Seit ihrer Wahl kann Robinson zwar nicht mehr direkt in die Politik eingreifen, aber ihr Einfluß und der Auftrieb, den sie Frauen gegeben hat, sind unübersehbar. Die Freigabe von Kondomen, die Legalisierung von Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten im Ausland und die Gleichstellung von Frauen bei der Besteuerung, der Sozialhilfe und dem Eigentum am ehelichen Haushalt sind dem Einsatz von Frauen innerhalb und außerhalb des Parlaments zu verdanken. Als nächstes steht die Scheidung auf dem Programm: Am 24. November wird darüber in einem Referendum abgestimmt.

Die Journalistin Maire Nic Suibhne berichtete im Guardian von einer Regierungsdelegation, die die Flüchtlingslager in Ruanda inspiziert hat. Die Delegation unter Leitung von Mary Robinson bestand zunächst nur aus Frauen. Mit gespieltem Entsetzen rief die Labour-Abgeordnete Joan Burton daraufhin: „Da ich schon immer für die Gleichberechtigung der Geschlechter eingetreten bin, bestehe ich darauf, daß wir einen Alibi-Mann mitnehmen.“

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