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: Schneller als der Tod

Wer heute einen Western dreht, lebt mit der Last von knapp 100 Jahren Genregeschichte. Weibliche Revolverhelden in der männlichen Sagenwelt schlechthin zu installieren macht die Sache nicht eben leichter, wenn man nicht gerade vorhat, sämtliche Erwartungen – wie 1994 bei den Bad Girls – väterlich-jovial und lieblos mit bereits verwesenden Genre-Knochen abzuspeisen. Sam Raimis Versuch variiert das Rächer-Motiv des einsamen Cowboys auf dem Weg zur Vergeltung. Sharon Stone ist hier die Frau ohne Namen, „the Lady“, die in Raimis Collage aus klassischen und modernen Westernelementen den Mörder ihres Vaters sucht. Und wenn man Eastwoods Erbarmungslos als postmodernen Western bezeichnet hat, so ist sogar diese Spielform in Schneller als der Tod vertreten: Auch hier spielt Gene Hackman das Böse, den brutalen Herrscher einer Stadt, der diesmal Herod heißt. Jährlich läßt dieser ein Duell-Turnier stattfinden, und jedesmal geht er als Sieger und seine Kontrahenten als Leichen aus dem Wettbewerb hervor.

Der Takt der aufeinanderfolgenden Duelle bis zum final showdown zwischen Herod und der lady prägt den Rhythmus des Films, und schon darin formuliert sich Raimis kommentierender Zugriff auf den Western. War von John Ford bis Sergio Leone ein Duell regelmäßig alleine dem dramatischen Ende vorbehalten, stiften Duelle hier eine durchgehende Struktur, die immer auch von der Kenntnis vorangegangener Western lebt. Gerade die permanente Ausstellung der Vergangenheit und Vergänglichkeit des Westerns unterstützt dabei einen weiblichen Rächer. Nicht respektlos, aber in dem sichtbaren Bewußtsein, es beim klassischen wie auch beim Italo-Western mit überholten Mythen zu tun zu haben, zitiert, verfremdet und verarbeitet Raimi. Schneller als der Tod ist wie ein großer Spiegel, den er aus einzelnen Bruchstücken eines größeren montiert hat. Hier spiegelt sich nicht nur die Westerngeschichte wider, sondern zugleich finden die Heldin und ihr Feind in einzelnen Bewohnern der Stadt ihre eigenen jeweiligen Spiegelbilder. So besteht selbst zwischen Herod und „the Lady“ eine starke Ähnlichkeitsbeziehung.

Nicht zuletzt über eine auffällige Kameraarbeit gibt Raimi diesem Spiegel seine eigene Gestalt und formt so den innovativen Kitt, der das Ganze zusammenhält. Dazu gehört Sharon Stone als Heldin, die neben deutlichen Verweisen auf die Geschichte der klassischen Frauenrollen im Western immer auch bemüht ist, einer Rächerin im Wilden Westen soviel Selbstverständlichkeit wie möglich zu verleihen. Doch einmal mehr wurde die Rechnung ohne den deutschen Wirt gemacht. Am Ende macht Sharon Stones Synchron-Stimme mit ihrem Möchtegern-Eastwood-Timbre all das kaputt, was an Eigenständigkeit gerade durch Stones Lakonie verstärkt worden war. Jan Distelmeyer