Ex hamburgo lux

Warum sich der Offenburger Verleger Burda jetzt bei der Presse des Nordens einkauft  ■ Von Andreas Odenwald

„Woher kommt das Licht am Endes des Internet?“ Antwort: „Von der Milchstraße.“ So witzeln die Angestellten Hubert Burdas dieser Tage über die jüngsten Aktivitäten ihres Chefs. Die Scherzfrage hat tiefere Bedeutung und einen realen Hintergrund: Wäre ihm nicht Anfang Oktober der spektakuläre Einstieg bei der Hamburger Verlagsgruppe Milchstraße geglückt, dann würde Hubert Burda jetzt im Internet einer eher düsteren Zukunft entgegengehen, schätzen seine Mitarbeiter. Letzten Donnerstag mußte der Verlag kleinlaut bekanntgeben, daß sein ehrgeiziges „Europe Online“ zwar am 15. Dezember starten wird – aber vorerst nur als Anbieter im Daten-Ozean Internet, was ihm nur wenig Ruhm, Ehre und Gewinn bescheren wird.

Gott sei Dank, so die Stimmungslage im Unternehmen, daß Hubert Burda, der auf seine verlegerischen Heimspiele in Offenburg und München schon lange keine Lust mehr hat, nun in Hamburg zwei neue Spielfelder gefunden hat: Nach der 37,5prozentigen Finanzbeteiligung bei der „Milchstraße“ (TV-Spielfilm, Fit For Fun) hat er sich letzte Woche auch noch als Viertelgesellschafter beim defizitären Intelligenzblatt Woche des Verlegers Thomas Ganske („Jahreszeitenverlag“) eingekauft.

Im Feindesland der Pressemagnaten

Die beiden Coups haben nicht nur seine 5.000 Angestellten aufhorchen lassen. Auch in der Medienbranche wurden die Signale vernommen: Der Visionär von der Datenautobahn hat wieder Bodenhaftung. Dabei ausgerechnet in Hamburg gelandet zu sein, gewissermaßen im Feindesland der Pressemagnaten, die ihn lange nicht ernst nahmen, erfüllt Hubert Burda mit tiefer Befriedigung.

Dies um so mehr, als er bei seinen beiden Coups zwei große Hamburger Verlagshäuser regelrecht vorgeführt hat: Die Pläne des Bauer-Verlages, sich an der Woche zu beteiligen – im Gegenzug war Woche-Chef Manfred Bissinger bereit, bei Bauers Nachrichtenmagazin-Embryo Ergo nach anderthalbjährigen Wehen die Zangengeburt einzuleiten – hat Hubert Burda buchstäblich in letzter Minute durchkreuzt. Noch größer ist für ihn der Triumph, seinem Lieblings-Gegner Gerd Schulte-Hillen, dem „Großen Vorsitzenden“ von Gruner + Jahr, den Milchstraßen- Brocken weggeschnappt zu haben.

Schulte-Hillen gehört noch zu der Spezies von Verleger-Persönlichkeiten, die das Hamburg-Bild des Badeners jahrzehntelang geprägt haben – und zwar negativ.

Der „Rheumadecken- Verleger“ triumphiert

Zwar hatte Hubert Burda schon immer einen Heidenrespekt vor der Leistung solcher Pressepioniere wie Rudolf Augstein und Henri Nannen. Wohl pflegte er beruflichen und manchmal geselligen Umgang mit den Presse-Nordlichtern. Aber wenn man sich in den 70er Jahren auf dem legendären Branchen-Fest „Bier bei Böhme“ an Bord eines Schiffes im Hamburger Hafen traf, dann konnte es schon passieren, daß der (im vergangenen Monat verstorbene) Zeit-Verleger Gerd Bucerius ihn gönnerhaft mit den Worten begrüßte: „Ah, da kommt ja unser junger Rheumadecken-Verleger.“

Anno 95 nun sieht man denselben Mann entspannt über den Hamburger Jungfernstieg schlendern – an seiner Seite einen der ausgebufftesten Profis im Illustriertengeschäft, den fast gleichaltrigen ehemaligen Bauer-Topmanager Gerd Bolls. Der, Urbild eines Norddeutschen und trinkfester Bierfreund, ist seit vier Jahren als Geschäftsführer in den Diensten des philosophisch angehauchten Visionärs aus dem Süden. Die beiden so grundverschiedenen Charaktere haben sich gesucht und gefunden. Bolls ist heute Hubert Burdas wichtigster Mann. Er führte ihn in die Geheimnisse und Schleichwege der gefürchteten „Hamburger Kumpanei“ ein. Und er organisierte jetzt die Millionenbeteiligungen bei Milchstraße und der Woche.

Wo Burda dieses Geld hernimmt, darüber wird spekuliert. Sicher sind ihm die 80 Millionen, die er für den Verkauf seines Zwei- Prozent-Anteils am Fernsehsender RTL bekommen hat. Auch Focus hat seine Anfangsinvestitionen schon eingebracht und verkauft immer mehr Anzeigenseiten. Das Blatt, mit dem er einem anderen Hamburger Platzhirschen, dem Spiegel, so kräftig gegen das Schienbein getreten hat, dürfte mittlerweile einiges abwerfen. Burdas Lieblingsprojekt Europe Online dagegen wird, jedenfalls in absehbarer Zukunft, bei weitem nicht so hohe Erträge erwirtschaften wie gewünscht. Zwar geht es nun endlich an den Start, aber nicht als gebührenpflichtige Abo- Leistung, sondern frei verfügbar auf dem Rummel- und Tummelplatz Internet, wo – ähnlich wie beim privaten Fernsehen – das Geschäft über Inserenten laufen soll. Die aber stehen noch lange nicht Gewehr bei Fuß.

Ein herber Rückschlag war es für Burda, als vorletzte Woche der Springer-Verlag aus dem multinationalen Gemeinschaftsunternehmen ausstieg. Auch dem französischen Konzern Matra-Hachette, der diesem Schritt folgen will, ist das Projekt zu unsicher.

Mit der „Bunten“ geht es abwärts

An Burdas Heimatfront, den Illustrierten, ist unterdessen auch nicht alles eitel Sonnenschein. Das einstige Flaggschiff Bunte macht Verluste, zwischen Chefredakteur Franz-Josef Wagner und seinem Verleger herrschen Mißstimmung und Argwohn. Wütend und berserkerhaft, in dem Gefühl, alleingelassen zu sein, versucht der journalistische Cowboy Wagner mit Hilfe von gesundheitsverschleißenden Nachtschichten, den drohenden Untergang abzuwenden. „Ein wunderbarer, ein kreativer Mensch“, schwärmt Hubert Burda heute in Capital – früher hat er so seinen Darling Wagner beschrieben. Heute meint er damit seinen neuen Hamburger Helden: Dirk Manthey von der Milchstraße.