: „Shell hat in Nigeria Einfluß“
■ Nach dem Mord an Ken Saro-Wiwa fordern Menschenrechtler erneuten Boykott des Ölkonzerns
Berlin (taz) – Mitglieder der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) haben gestern einen neuen Shell-Boykott gefordert. „Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, kein Shell-Benzin mehr zu tanken, solange der Konzern nicht ein ökologisches Sanierungsprogramm für das Gebiet der Ogoni einleitet, seinen beträchtlichen Einfluß für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen im Nigerdelta und für den Abzug der Sondereinheiten des Militärs aus dem Ogoni-Land nutzt“, heißt es in einer gestern veröffentlichten Erklärung der GfbV. Sie macht den Konzern für die Hinrichtung des Menschenrechtlers Ken Saro-Wiwa mitverantwortlich. Saro-Wiwa hatte jahrelang mit friedlichen Mitteln für die Rechte seines Ogoni-Volks gekämpft, das im südnigerianischen Ölfördergebiet lebt. Am Freitag waren er und acht Mitstreiter gehenkt worden, nachdem ein Sondergerichtshof sie wegen Mords verurteilt hatte.
Shell-Sprecher Rainer Winzenried hält einen Boykott gegen seinen Arbeitgeber hingegen für „falsch, ungerecht und fast schon absurd“. Shell habe nicht die Möglichkeit gehabt einzugreifen. „Kein Staat würde das zulassen.“ Sich nicht in die Politik einzumischen sei ein Prinzip seines Unternehmens. Daß das nicht stimmt, hat die GfbV nachgewiesen. Sie legte gestern Dokumente vor, die die Kooperation von Vertretern der nigerianischen Regierung mit dem Konzern belegen. Daraus geht hervor, daß man sich gegenseitig mit Material gegen die „Bewegung für das Überleben der Ogoni“ versorgte. Außerdem werfen die Menschenrechtler dem Ölmulti vor, das nigerianische Militär zu unterstützen. Es gibt sogar Zeugenaussagen, die Shell eine Bestechung von Belastungszeugen gegen Saro-Wiwa vorwerfen.
Hessen, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein haben unterdessen angeordnet, daß NigerianerInnen vorerst nicht mehr abgeschoben werden dürfen. Der hessische Innenminister Bökel begründete den Schritt mit der „weltweiten Verurteilung“ der Hinrichtung der Ogoni-Menschenrechtler. Er forderte Bundesinnenminister Kanther auf, spätestens bis zur Innenministerkonferenz der Länder Mitte Dezember einen Lagebericht über die Menschenrechtssituation in Nigeria vorzulegen. aje/hp Seiten 7 und 10
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen