: „Junge Freiheit“ sucht neue hübsche Adresse
Das rechte Blatt erschlich sich Büroräume im Mosse-Haus und wurde wieder gekündigt ■ Aus Berlin Annette Rogalla
Gerne berauscht sich Dieter Stein, Chefredakteur des rechten Kampfblatts Junge Freiheit, am Ausblick seines Bürofensters im ersten Stock. Sein Blick fällt auf den hoch aufragenden braun-goldenen Betonriegel des Axel-Springer-Verlags. Gleich daneben das Gebäude des Ullstein-Verlags, die taz liegt außer Sichtweite um die Ecke. Das Büro im Mosse-Zentrum ist ein wahrer Glücksfall. Mitte Oktober siedelte Stein mit Redaktion und Verlag der Jungen Freiheit in das wiederhergestellte Gebäude, das der jüdische Verleger Rudolf Mosse um die Jahrhundertwende bauen ließ. Der markante Eckbau war damals das Wahrzeichen der blühenden Berliner Presselandschaft. Heute gilt die Zimmerstr. 55 wieder als feinste Zeitungsadresse. Doch Dieter Stein wird seine Briefbögen wieder einstampfen lassen müssen.
Vorgestern wurden dem Sprachrohr der Rechtsintellektuellen die Räume gekündigt. Fristlos. Wegen „arglistiger Täuschung“ beim Abschluß des Mietvertrags. Denn um unerkannt zu bleiben, hatte Stein die AMS-Unternehmensberatung vorgeschickt. Die gab bei Vertragsabschluß an, daß eine „Junge Freiheit Treuhand GmbH i.G., Gesellschaft für Kapitalbeteiligung“ einziehen werde. „An den namensidentischen Verlag dachten wir nicht“, sagt Großinvestor Roeder. Erst als die taz über den neuen Mieter berichtete und über dessen Werbekampagne mit Fotos von Autoren und jüdischen Gesprächspartnern, denen die Interviews unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abgeluchst worden waren, will er aufgemerkt haben. Er ließ den Mietvertrag prüfen und kündigte.
Doch Stein wird sich weigern, das Büro „unverzüglich zu räumen“. Er bestreitet gegenüber der taz, eine solche Aufforderung bekommen zu haben. Im Schreiben seien nur „Einwendungen bezüglich des Mietvertrags formuliert“. Stein sieht sich als Opfer einer Verschwörung. „Wir sind keine Belastung für das Haus, wir werden zu einer solchen gemacht, weil es ein jüdisches Verlagshaus ist.“
Die Besitzer des neuen Mosse- Zentrums wollen an die jüdische publizistische Tradition des Hauses anknüpfen. Prominente Redner weihten das Haus Anfang Januar ein. Der Enkel des Verlagsgründers wünschte, es möge „Symbol für Offenheit und Fortschritt sein“. Aber George L. Mosse warnte auch vor den „neuen Nazis und Radikalen“. Seine Familie wurde von den Nazis bedroht und mußte 1933 ins Exil fliehen. Nun zählt Dieter Stein die hübschen Aussichtstage. Sein Rauswurf sei nicht politisch motiviert, versichert Investor Roeder. Juristische Gründe hätten ihn zur Kündigung animiert. Kann sein. Fest steht, daß Stein und seine Junge Freiheit im Mosse-Zentrum nicht unbekannt waren. Das Druckhaus Mitte, an dem Röder Anteile hält, druckte die Werbebroschüre „Eine Zeitung hat viele Gesichter“, und Eckhard Laßmann, Projektleiter des Mosse- Zentrum, gab Stein vor drei Wochen ein Interview. Da schmeichelte er Stein mit der Bemerkung, die Junge Freiheit gehöre zu dem Zentrum „praktisch dazu“.
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