: Das Verbot hat die Initiatoren erst recht ermuntert
■ Am Ende setzten sich die Aufmüpfigen durch: Auch Pfarrer und kirchliche Würdenträger haben das Begehren nach Erneuerung ihrer Kirche unterschrieben
„Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß aus unserer Kirche – wie aus vielen anderen Kirchen auch – eine nicht mehr feststellbare Anzahl von Unterschriften entwendet wurde“, heißt es in einem der mit den Listen in Hannover eingegangen Schreiben, die nur unter Schwärzung aller Namen und Daten eingesehen werden dürfen. Die simple Forderung, auch dem Herrn Pfarrer seine Partnerin oder Geliebte zu gestatten, bewegt die Herzen der Katholiken – ist aber auf entschiedenen Widerstand der deutschen Kirchenoberen gestoßen.
Da ging in den Kirchen nicht nur der anonyme Listenklau um. In vielen Gemeinden durften die Listen in kirchlichen Räumen überhaupt nicht ausliegen, den treuen, engagierten Christen vom Volksbegehren wurden von den Kirchenoberen selbst Diskussionsveranstaltungen in Gemeinderäumen nicht gestattet. Sie mußten in Kneipensäle ausweichen, die Unterschriften konnten oftmals nur in Fußgängerzonen, auf Wochenmärkten oder in Betrieben gesammelt werden. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz hatte seinen Pfarrern und kirchlichen Mitarbeitern zunächst sogar mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. „Es gibt keine Amtshilfe für dieses Unternehmen“, stellte Oberbischof Lehmann Anfang September, 14 Tage vor Beginn der vierwöchigen Unterschriftenaktion klar. Immerhin findet sich in den Arbeitsverträgen kirchlicher Mitarbeiter ein die Meinungsfreiheit einschränkender Tendenzschutzparagraph. Doch gerade dieses bischöfliche Verbot hat am Ende dem Kirchenvolksbegehren wohl eher genutzt als geschadet. „Zumindest in Ostdeutschland gab das Verbot uns den notwendigen Schub“, sagte gestern Hauptinitiatorin Eva-Maria Kiklas aus Dresden. Am Ende setzte sich das Aufmüpfige durch. Auch Pfarrer und kirchliche Würdenträger der mittleren Ebenen haben unterschrieben. Im Ruhrgebiet habe knapp die Hälfte der Geistlichen am Ende das Kirchenvolksbegehren unterstützt, berichtete Mitinitiatorin Dieter Grohmann gestern. Wenn die Pfarrgemeinderäte für das Begehren votierten, dann schlossen die Pfarrer sich diesem Votum an. In anderen Fällen hätten gerade die aktiven Gemeindemitglieder sich nicht um die Drohungen ihrer Seelsorger geschert und vor der Kirche ihre Unterschriftenstände aufgebaut – wenn sie schon in der Kirche nicht für das Begehren werben durften.
Bischof Lehmann und auch das Zentralkomitee der Katholiken mußten während der Kampagne lernen, daß ihnen da gerade die engagierten Gemeindemitglieder aufmüpfig wurden. Kurz nach Ende der Kampagne veröffentlichte Lehmann denn auch einen ersten versöhnlichen Kommentar, in dem er seine Schäfchen zurückzuholen suchte: „Ich habe in den letzten Wochen gelernt, daß es im ganzen Gottesvolk vielleicht mehr Frauen und Männer sind, die auf diese – für mich etwas sonderbare – Weise ihr Engagement für eine Erneuerung der Kirche einbringen möchten“, übte der Oberbischof moderate Selbstkritik. Er bezeichnete aber wiederum „diese Form des Unterschriftensammelns“ als „nicht angemessen und fruchtbar“. Schließlich hätten sich die Bischöfe täglich mit Themen wie die Stellung der Frau in der Kirche, Zölibat und Empfängnisregelung auseinanderzusetzen. Viel wichtiger sei doch die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach Gott und seiner Gegenwart in der Welt, jammerte der Chef der deutschen Bischöfe.
Zwischenzeitlich war der Oberbischof auch bereit, von den Initiatoren die ausgezählten Unterschriften entgegenzunehmen, listigerweise aber erst am 12. Dezember und nur dann, wenn bis dahin keine Zahlen veröffentlicht würden. Eine unannehmbare Bedingung, wie Hauptinitiator Christian Weisner sagt: „Wir hätten doch das Ergebnis unserer Auszählung nie solange unter der Decke halten können.“ Am Ende blieb als Kompromiß das Gespräch, das am 2. Dezember nun zwischen der deutschen Bischofskonferenz und den Initiatoren des Kirchenvolksbegehrens stattfinden wird. In einer Kirche, die von Rom aus autoritär regiert wird, hat man von einem solchen Gespräch kaum Ergebnisse zu erwarten. Die Initiatoren verwiesen gestern darauf, daß in Südtirol und in Flandern nun ähnliche Kampagnen vorbereitet würden. Sie setzen darauf, daß die Gläubigen sich selbst in Bewegung setzen. „Hier haben Generationen, die die Unterdrückung durch die katholische Hierarchie erlebt haben, gezeigt, daß auch für die Kirche demokratische Verhältnisse der rechte Weg sind“, hofft der Paderborner Theologe Peter Eicher.
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