: Brechen lassen auf Honorarbasis
■ Der Ärztekammer und Gesundheitssenatorin zum Trotz verabreicht ein Arzt des Gesundheitsamtes weiterhin Emetika
In der Ostertorwache darf gekotzt werden. Regelmäßig verabreicht Dr. Michael Birkholz, Leiter des rechtsmedizinischen Dienstes, hier Brechmittel an vermeintliche Dealer.
Dabei sprachen sich vor fünf Wochen berufene Stellen eindeutig gegen den Einsatz von Brechmitteln aus: Die Ärztekammer Bremen erklärte im Oktober, die Gabe eines Brechmittels durch einen Arzt sei „nicht vereinbar mit dem ärztlichen Berufsethos“. Am 11.10. später zog Gesundheitssenatorin Tine Wischer nach: „Brechmittel dürfen nur vergeben werden, wenn es medizinisch angezeigt ist, damit verschluckte Drogen im Körper nicht zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen.“
Der Rechtsmediziner jedoch hält nichts von der Meinung der Senatorin, in deren Dienstaufsichtsbereich er steht. Frau Wischer sei rechtlich schlecht beraten gewesen, „was sie gesagt hat, ist falsch.“ Auch die Äußerung der Ärztekammer verstoße „gegen geltendes Recht: Wenn die Justiz sagt, das ist rechtens, dann können wir uns nicht hinstellen und sagen, das ist Unrecht.“
Seit dem 1.1.95 praktiziert der unter Leitung von Birkholz neugeschaffene Beweissicherungsdienst die Exkorporationen in der Ostertorwache. Dies tut er, wie vom Anti-Rassismus-Büro (ARAB) vermutet und von Birkholz gegenüber der taz bestätigt, auf Honorarbasis. Aufträge und Geld kommen von der Polizei, mit der Birkholz einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hat. Die Zahl der Exkorporationen sei zurückgegangen, beschwichtigt Birkholz, der sich mehrfach „aus Sicherheitsbedenken“ gegen die bis Januar übliche Verabreichung des Brechmittels auf den Revieren ausgesprochen hatte. Anfangs habe er zehn Verdächtige pro Monat gehabt, derzeit liege der Schnitt bei einem pro Woche. Allerdings liege jetzt die „Erfolgsquote bei nahezu 100 Prozent“, wegen der schnellen Bearbeitung der Fälle, die ihm heute unmittelbar nach Aufgreifen vorgeführt werden.
Zwangsmaßnahmen, versichert Birkholz, habe es bislang nicht gegeben. „Ich mache keine Gewaltanwendung, wenn es nicht sein muß“, erklärt er, verweist aber darauf, daß das Legen einer Nasensonde, wie in Frankfurt üblich, kein Risiko beinhalte. Nach Informationen des ARAB jedoch schreckte Birkholz nicht davor zurück, einem unwilligen Probanden die Kiefer mit Gewalt auseinanderzuzerren.
„Wir tun nichts Unrechtes“, sagt Birkholz. Die Brechmittelvergabe sei gerechtfertigt, da sie zur Aufklärung einer Straftat beitrage. Solche Maßnahmen sehe das Gesetz ausdrücklich vor. Daher versuche die Gesundheitssenatorin ebenso wie die Ärztekammer, ihren Oktober-Beschluß zu revidieren.
„Dazu sehen wir gar keine Veranlassung“, widerspricht indes Werner Arens, Geschäftsführer der Ärztekammer. Von der Gesundheitsbehörde war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. dah
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