: „Die Neue Heimat grüßt“
■ Wird Pufferzone am Naturschutzgebiet Hollerland „angenagt“? / Umweltschützer Gerold Janssen empört: Ein glatter Vertragsbruch
Was sind rund 250 Quadratmeter bebautes Land? „Vertragsbruch“ – wenn die Baumaßnahme nämlich direkt am nördlichen Rande des Naturschutzgebietes Hollerland stattfinden soll. So sieht es der Hollerland-Aktivist Gerold Janssen. Der Sprecher des Umweltressorts, Holger Bruns-Kösters stimmt zu: Das „Anknabbern“ des Kompromisses von 1989 sei „nicht glücklich“. Dennoch beschloß die Baudeputation am 25.Oktober, einen Schutzgürtel direkt am Naturschutzgebiet Hollerland in Bauland umzuwidmen. Dann könnten dort mehr Häuser stehen. „Es geht um Profit“, sagt Gerold Janssen. „Die Neue Heimat grüßt.“ Keinesfalls dürfe die Bürgerschaft der neuen Planung zustimmen.
Was da heute zum Streitfall wird, begann vor 18 Jahren mit der Bebauung im Bremer Norden. Nach vielen Jahren Streit mit der Initiative „Rettet das Hollerland“ dachte man 1989, die Sache sei endlich ausgestanden: In einem Kompromißvertrag, den die Bürgerschaft absegnete, wurden sowohl Bauland und deren Nutzung als auch Naturschutzgebiet ausgewiesen. Eine Pufferzone sollte zwischen diesen beiden Gebieten liegen. Teile von ihr sollen nun Bauinteressen zum Opfer fallen. „An manchen Stellen bis zu zehn Prozent“, räumt die Umweltbehörde ein.
Was Janssen unter „Profitinteressen“ zusammenfaßt, steht vornehmer ausgedrückt auch in der Deputationsvorlage: Die jetzige Bebauung unterschreite die mögliche Baudichte um 30 Prozent, heißt es da. Deshalb müsse der Bebauungsplan dem veränderten Konzept angepaßt werden. „Das ist verkehrte Welt“, sagt Gerold Janssen: „Normalerweise läuft sowas umgekehrt. Der Bebauungsplan legt fest, wie die Bebauung aussieht.“ Darauf haben sich die Umweltschützer damals verlassen.
Umso mehr fühlt Janssen sich hintergangen: „Ich habe die politischen Köpfe damals alle durchs Hollerland geführt. Bis hin zu Tine Wischer. Die wissen, worum es hier geht.“ Besonders sauer ist er auf den Sprecher der Baudeputation: Karl-Heinz Schreiber, schon 1989 beim vertragsabschluß dabei, arbeitete nämlich auch an der neuen Planungsänderung mit. „Der hat zu mir gesagt, mit den heutigen Mehrheiten habe er keine andere Chance“, erinnert sich Janssen. Karl-Heinz Schreiber seinerseits hat bereits Konsequenzen aus dem Vertragsbruch-Vorwurf gezogen: Am Montag morgen übergab er der Rechtsabteilung der Baubehörde sämtliche Unterlagen. Wenn die Prüfung dort ergibt, daß der Deputationsbeschluß dem Vertragswerk nicht entspricht, – „dann werde ich dem Antrag auf Planungsänderung in der Bürgerschaft nicht zustimmen“, sagt er.
Gerold Janssen hat sich inzwischen mit einem Appell an Henning Scherff, den Präsidenten des Senats, gewandt: „Verhindern Sie, daß Politik durch Vertragsbruch ein weiteres Mal unglaubwürdig wird“, schreibt er darin. Denn noch hat Janssen die Hoffnung aufgegeben, daß das Land vor den Baggern zu retten sei: „Es gibt noch ein paar integre Leute in der SPD.“ Auf die setzt er nun, zumal die Genossen sich mit seinen Erfolgen schmücken: Auf dem Parteitag in Mannheim präsentierte sich der Ortsverein Horn-Lehester Deich unter dem Motto „Mehr Umwelt wagen“. Auf dem großen Foto an dessen Stand saß der der Ökoaktivist Janssen gerade auf einem Baum und demonstrierte. „Darauf ist die SPD also stolz. Und in Wirklichkeit gehen sie so schlecht damit um“, sagt er. Noch immer seien die überfälligen Ausgleichsflächen für die Bebauung des Geländes Uni-Ost nicht angelegt. Der Capelle-Hof, der sich dafür anbiete, werde auch abgelehnt. Dabei sei das Verfahren festgelegt. „Da weiß ich kaum noch, wie ich den kleinen Sündern entgegentreten soll“, sagt der behördlich bestallte Naturschutzwächter Jans sen. ede
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