: Ein Krieg wird seziert
■ Brillante BBC-Dokumentation über den Jugoslawienkrieg (23.15 Uhr im ZDF)
„Wir erhielten aus Belgrad zwar keine regulären militärischen Befehle, aber doch ausreichend deutliche Anforderungen. Wir wußten, was wir zu tun hatten.“ Lächelnd, im gut sitzenden hellgrauen Anzug, erzählt der nationalistische Serbenpolitiker und Tschetnik- Führer Vojislav Seselj vor der Kamera in aller Offenheit, wie die „ethnischen Säuberungen“ und der Völkermord in Bosnien aus Belgrad initiiert und dirigiert wurden. Zwischendrin wird gezeigt, wie die paramilitärischen Verbände Seseljs und des unter dem Namen „Arkan“ bekannten Zeljko Raznjatović ein Haus nach dem anderen in Zvornik und anderen bosnischen Städten durchkämmen. Später liegen vor den Häusern deren ermordete Bewohner.
Die Szenen stammen aus „Death of Yugoslavia“, einer fünfteiligen Dokumentationsserie der BBC, deren deutsche Fassung derzeit unter dem Titel „Der Bruderkrieg – Kampf um Titos Erbe“ jeweils donnerstags vom ZDF ausgestrahlt wird (heute die dritte Folge um 23.15 Uhr). Die von der BBC in Koproduktion mit Fernsehanstalten in Exjugoslawien, Frankreich und Österreich produzierte Serie ist eine der besten politischen Dokumentationen, die das europäische Fernsehen seit langer Zeit hervorgebracht hat. Anhand von zahlreichen, höchst aufschlußreichen Interviews mit den beteiligten Personen und bislang meist unveröffentlichtem Filmmaterial liefert sie spannende Aufklärung, im besten Sinne.
Wer bislang wenig Ahnung hatte von den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien und ihren Ursachen, oder wer sie als zu verwirrend empfand, sollte sich die noch folgenden Teile unbedingt ansehen. Die jeweils 50 Minuten sind in sich abgeschlossen und auch ohne Kenntnis der vorangegangen verständlich. Der erste Teil behandelt den politischen Aufstieg von Serbiens Slobodan Milošević seit Mitte der 80er Jahre, seine Wandlung vom Kommunisten zum Nationalisten und seine Rolle im Kosovo; im zweiten geht es um die Auseinandersetzungen im Staatspräsidium der Jugoslawischen Föderation; Teil drei schildert heute abend den serbischen Krieg gegen Slowenien und Kroatien, der vierte (am 7. Dezember) den Bosnienkonflikt und die gescheiterten Vermittlungsbemühungen der EU; die letzte Folge schließlich (am 14. Dezember) behandelt den Bosnienkrieg bis hin zur Eroberung der UNO-„Schutzzone“ Srebrenica Anfang Juli dieses Jahres.
Ähnlich wie Tschetnikführer Seselj äußern sich auch Serbiens Präsident Slobodan Milošević sowie heutige und frühere Mitglieder seines Regimes und der Armeeführung in Belgrad erstaunlich freimütig vor der Kamera über ihre eigene Rolle und Verantwortung. Zum Beispiel Borislav Jović, Anfang der neunziger Jahre Serbiens Vertreter in der kollektiven Präsidentschaft der Jugoslawischen Föderation: „Wir wußten natürlich, daß die Einheiten der Jugoslawischen Volksarmee in Bosnien nach der internationalen Anerkennung des Landes im April 1992 als Aggressoren betrachtet würden und daß wir schnell handeln mußten, bevor die internationale Gemeinschaft handelt. Nur Milošević und ich haben darüber gesprochen, was zu tun sei.“
Und dann schildert Jović ausführlich, wie alle damals in Bosniens stationierten nichtbosnischen Einheiten der Jugoslawischen Volksarmee gegen (serbisch)-bosnische Verbände ausgetauscht wurden und künftig als Armee der bosnischen Serben firmierten. „Aber ihren Sold und alle Versorgung“, sagt Jović, „erhielten diese Soldaten weiterhin aus Belgrad.“ Andreas Zumach
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