Das Parlament streikt nicht

■ Mit 5.000 Änderungsanträgen wollen Frankreichs Oppositionsparteien Juppés Sozialreform stoppen

Paris (taz) – 17 Tage nach Beginn des Streiks in Frankreich standen am Wochenende Gespräche im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen: Die Führer der großen Gewerkschaften trafen sich mit Sozialminister Jacques Barrot. Premierminister Alain Juppé konferierte mit neun seiner Minister. Und das Parlament palaverte in einer Marathonsitzung über die 5.000 Änderungsvorschläge der sozialistischen und kommunistischen Opposition zu dem Sparplanprojekt der Regierung.

Die Gewerkschaftschefs verlangten einen Sozialgipfel mit Juppé, und FO-Chef Blondel bestritt, daß er jemals den kompletten Rückzug des „Juppé-Plans“ als Voraussetzung für Verhandlungen gefordert habe. Sozialminister Barrot erklärte, daß man sich zum „sozialen Dialog“ öffnen müsse. Geheimnisvoll ergänzte er: „Nichts ist ausgeschlossen.“ Trotz des vorsichtigen Rückziehers von Blondel bleiben die Gewerkschaften jedoch bei ihrem Aufruf zu einem neuen nationalen Aktionstag für morgen.

Keine Annäherung zeichnete sich dagegen zwischen den streikenden Eisenbahnern und dem Unterhändler der Regierung, Jean Matteoli, ab. Die Chefin der sozialistischen Gewerkschaft CFDT verlangte gestern das „Einfrieren“ des Sanierungsplans für die Staatsbahn SNCF. Sprecher der Gewerkschaft FO forderten eine neue Diskussion über die Rentenregelungen für die heute angesetzten Gespräche.

Im Parlament bestimmte unterdessen trickreicher „Widerstand“ die Debatte. Die Regierung will die einzelnen Bestimmungen des Sparplans für die Sozialversicherung per Dekret umsetzen. Dazu braucht sie eine einmalige Zustimmung des Parlaments, in dem sie über eine stabile Zweidrittelmehrheit verfügt. Die Opposition blockiert dieses Procedere. Bei Redaktionsschluß waren noch nicht einmal 1.000 von 5.000 Änderungsanträgen abgearbeitet.

Der Streik ging mit zahlreichen Demonstrationen in der Provinz weiter – davon die größte auf Korsika. In Paris waren gestern lediglich ein paar hundert Menschen aus politischen Gründen auf der Straße: Sie forderten eine „Mindestversorgung“ im Streik. dora Seite 8