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Hat Gott buschige Augenbrauen?

Wie die gemeinsame europäische Währung heißen soll, wissen wir jetzt. Warum wir sie brauchen, noch lange nicht. Wirtschaftlich rentiert sie sich, politisch stellt sie eine Gefahr dar  ■ Von Nicola Liebert

Von europäischen Gipfeln herab kam Theo Waigel zu uns mit Gesetzestafeln, auf denen steht, daß wir zahlen sollen alle in derselben Währung. Inzwischen haben die Textausleger auch schon verkündet, wann das geschehen soll (ab 2002), wer zu den Auserwählten gehören wird (alle, deren Regierung den rechten Sparwillen zeigte) und wie aus dem babylonischen Währungsturm ein solides Haus wird. Nur eine Frage bleibt in der Verkündigung weitgehend unbeantwortet: die nach dem Warum. Warum müssen wir das goldene Kalb namens D-Mark schlachten? Warum sollen sich alle Notenbanken der betroffenen Länder genau so verhalten wie die Bundesbank, bevor sie in den Kreis der Auserwählten rücken dürfen?

Die europäischen Wirtschaftslenker dachten sich das alles zunächst alles so einfach. Auf einem gemeinsamen Markt handelt es sich eben besser, wenn alle dieselbe Währung benutzen. Geldwechseln kostet Geld, wie jeder erfahren mußte, der für seinen Urlaub beispielsweise Francs erwarb und die restliche Reisekasse nach der Rückkehr wieder in D-Mark zurücktauschte. Da werden aus 100 Mark am Ende nur mehr 90.

In derselben Weise würden auch Unternehmen von einer gemeinsamen Währung profitieren. Die Kosten für Devisengeschäfte werden auf ungefähr 30 Milliarden Mark veranschlagt – die EU-Kommission geht sogar von 40 Milliarden aus, immerhin ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Nicht nur der Wegfall der Umtauschkosten würde Geld sparen. Die komplizierten und sündhaft teuren Überweisungen ins Ausland würden billiger. Überdies würden die Unternehmen die Devisendeals sparen, die sie zur Absicherung gegen Wechselkursrisiken vornehmen.

Gerade das Hartwährungsland Bundesrepublik hat noch ein ganz spezielles Interesse an der Währungsunion. Wenn die D-Mark nicht immer wieder aufgewertet wird gegenüber anderen europäischen Währungen, dann steigen die Exportchancen. Denn derzeit müssen die deutschen Exporteure angesichts der teuren D-Mark entweder die Preise senken oder aber Absatzeinbußen hinnehmen.

Währungsschwankungen können auch umgekehrt für Schwachwährungsländer üble Folgen haben. Eine Abwertung nutzt meistens nur kurzfristig. Zwar werden die Exporte wettbewerbsfähiger. Aber zugleich werden Importe teurer, die Preise steigen, und die Inflation wiederum zieht höhere Zinsen nach sich. Die Exportgewinne werden so durch Wachstums- und Beschäftigungseinbußen zunichte gemacht. Die EU- Kommission schätzt, daß die Währungsschwankungen seit Sommer 1992, als das Europäische Währungssystem aus den Fugen geriet, das Wirtschaftswachstum in der EU um 0,25 bis 0,5 Prozent gedrückt haben.

Die hauptsächlichen Nutznießer einer Währungsunion sind vermutlich die Unternehmen. Aber auch die Verbraucher könnten mehr davon haben, als nur günstig Geld für den Urlaub umzutauschen. Eine einheitliche Währung soll den Wettbewerb stärken. Denn die Verbraucher können dann zumindest bei größeren Anschaffungen leichter über die Grenzen schauen und die Preise unmittelbar vergleichen. Die EU-Kommission deutete bereits an, daß das die ihrer Ansicht nach überhöhten Preise für Autos in Deutschland senken könnte.

Hinter diesen wirtschaftlichen Vorteilen einer einheitlichen Währung stehen aber im Grunde politische Interessen. Denn nur auf den ersten Blick scheint es verwunderlich, daß gerade die französische Regierung die Währungsunion so vehement vorantreibt, obwohl die dafür notwendigen Einsparungen derzeit die Arbeitnehmer fast geschlossen auf die Straßen treiben. Das wiedervereinte Deutschland mit seiner wirtschaftlichen Dominanz soll noch stärker nach Westeuropa eingebunden werden. In Italien und zumal in Frankreich, so erklärt der liberale Soziologieprofessor Ralf Dahrendorf in einem Spiegel-Interview, gehöre die Furcht vor deutschen Abwegen nun mal „zu den dominierenden Motiven der Politik“. Ein anderer wirklich guter Grund für die Währungsunion fällt dem in Oxford lehrenden Lord jedenfalls nicht ein.

Sparen muß die französische Regierung angesichts der Ebbe im Haushalt ohnehin, mit oder ohne Maastricht. Vor die Wahl gestellt, ob ihr die Zins- und Währungspolitik von der Bundesbank vorgegeben wird oder von EU-Behörden, entscheidet sich die Pariser Politikerkaste ohne Zögern für letzteres. Nicht die Bundesbankisierung Europas ist der gewünschte Effekt, sondern die Europäisierung der Bundesbank.

In der EU sind alle Staaten gleich. Aber

einige sind gleicher als die anderen. Zumindest wenn es künftig eine Währungsunion gibt, an der allenfalls die BRD, Frankreich, Luxemburg und mit einiger Anstrengung vielleicht noch Irland, Finnland und die Niederlande teilnehmen werden. Großbritannien und Dänemark würden sich vermutlich qualifizieren, haben sich aber eine Ausstiegsklausel vorbehalten. Europa wird kleiner und nördlicher.

Das erbost zu Recht die übrigen EU- Staaten, ganz besonders Italien, das sich als fester Bestandteil Kerneuropas fühlt. Als der deutsche Finanzminister im Oktober das Offensichtliche aussprach – daß Italien die Stabilitätskriterien von Maastricht nicht einhält –, löste er eine diplomatische und eine Währungskrise aus. Eine Währungsunion der Nordländer zerreißt die Europäische Union.

Dabei kann man den Konstrukteuren der gemeinsamen Währung nicht mal einen Vorwurf machen, wenn sie die wirtschaftlich weniger stabilen Länder nicht dabeihaben wollen. Alles andere würde das Funktionieren der Währungsunion gefährden. Denn so wie die Preise durch das gemeinsame Geld über die Grenzen hinweg besser vergleichbar werden, sind es dann auch die Löhne. Das, was sich in der Bauwirtschaft bemerkbar macht – nämlich daß billige Arbeiter aus dem europäischen Ausland die teuren deutschen Bauarbeiter ausstechen –, wird Schule machen. Alternativ müßten die Löhne in Portugal oder Irland steigen, was aber der Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder den Garaus machen würde. Wie schwierig eine Währungsunion zwischen ungleichen Partnern ist, das hat man in Deutschland ja schon erfahren. Die DDR-Wirtschaft ging schlagartig pleite, riesige Summen mußten von West nach Ost transferiert werden, trotzdem nahm die Arbeitslosigkeit unerträgliche Ausmaße an. Ein solcher Kraftakt wäre in gesamteuropäischem Maßstab unmöglich.

Aber nicht nur gegenüber den Outsidern, sondern auch innerhalb einer kleinen Währungsunion gibt es Probleme. Wenn alle Mitglieder strikte Haushaltsdisziplin einhalten und die Inflation in engen Grenzen halten müssen, bleibt für nationale Politik nicht viel Spielraum. „Die Konvergenzkriterien sind eine Zwangsjacke“, befindet The Economist knapp, „die der Größe des Patienten nicht angepaßt ist.“ Den Eurokraten kommt es eben nur darauf an, wieviel Geld eine Regierung ausgibt, nicht wofür.

Zugeben muß man zwar, daß sich der drohende Verlust nationaler Souveränität angesichts der real existierenden Hegemonie der Hartwährung D-Mark relativiert. Schon jetzt haben die meisten EU-Mitgliedstaaten gar keine andere Wahl, als ihre Zins- und Währungspolitik nach der Bundesbank auszurichten. Dennoch, die politische Integration in Europa per finanzpolitischer Daumenschraube erreichen zu wollen, ist fragwürdig. Konsequent wäre es da, wenn nicht nur die nationalen Zentralbanken abgeschafft würden, sondern auch gleich die Finanzministerien, denn die Regeln werden dann nur noch auf europäischer Ebene gemacht.

Nehmen wir zum Beispiel an, ein französischer Präsident leistet sich atomare Dummheiten im Südpazifik und schädigt dadurch nachhaltig seine Exportindustrie. Nehmen wir weiter an, sein Premier bringt sämtliche Gewerkschaften gegen sich auf und legt dadurch die Wirtschaft lahm. Die Konjunktur bricht ein, die Arbeitslosigkeit erreicht brutale Ausmaße. Normalerweise würde die Regierung dann die Währung abwerten, die Zinsen senken, selbst auf die Gefahr hin, daß die Inflation für eine Zeitlang steigt, und sie würde Geld ausgeben, um die Arbeitslosen von der Straße zu holen.

Nicht so, wenn das Land durch eine Währungsunion gefesselt ist. Dann bleibt als einziges Mittel die Lohnpolitik: Die Arbeitnehmer müßten entweder niedrigere Löhne und Sozialleistungen hinnehmen oder Arbeitslosigkeit. Die geplante Währungsunion ist eben keine Sozialunion.

Die am häufigsten geäußerte Sorge, mit der Währungsunion würde die harte D-Mark einem labberigen Euro Platz machen, ist hingegen wahrscheinlich das geringste Problem. Niemals wird sich die Bundesrepublik auf eine Währungsunion ohne Einhaltung der strengen Stabilitätskriterien für Staatsausgaben und Inflation einlassen. Das heißt, eine gemeinsame Währung wird es nur geben, wenn auch gewährleistet ist, daß es eine harte Währung wird. Problematisch ist eher die Übergangsphase, in der die reale Gefahr einer gewaltigen Spekulationswelle besteht. Aber die Lebensversicherung in D-Mark kann man getrost behalten.

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