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Streitobjekt GarzweilerII

Die nordrhein-westfälische Gemeinde Jüchen bringt den Zeitplan des Braunkohletagebaus ins Wanken: SPD-Genossen vor Ort stellen sich gegen SPD-Wirtschaftsminister Clement  ■ Aus Jüchen Walter Jakobs

Georg Jansen, fraktionsloser Abgeordneter im Jüchener Gemeinderat, ist stinksauer: „Jahrelang mußten wir die Belastungen von GarzweilerI ertragen. Wo war da die Landesregierung? Jetzt, wo sich die Gemeinde wegen GarzweilerII auf die Hinterbeine stellt, da geben sich pötzlich die Minister in Jüchen die Klinke in die Hand und sagen: Jüchen, was wollt ihr haben?“ Ginge es nach Jansen, dann bliebe alles Werben des Düsseldorfer Wirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) umsonst. Denn in der 23.000-Einwohner-Gemeinde Jüchen steht die SPD zusammen mit der dreiköpfigen FDP-Truppe fest an der Seite der GarzweilerII-Gegner.

Im Kampf um den Fortgang des Tagebaus spielt die Gemeinde Jüchen eine zentrale Rolle. Deren Ortsteile Otzenrath und Holz sollen als erste den gigantischen Baggern weichen. 2.500 Menschen müßten hier unmittelbar umsiedeln. Nach dem genehmigten, aber juristisch auch von der Gemeinde Jüchen beklagten Braunkohleplan soll die Umsiedlung 1997 beginnen. Dazu muß aber mindestens zwei Jahre vorher ein Bauleitverfahren eingeleitet werden, und dazu war Jüchen bisher nicht bereit. Am Donnerstag wollten SPD und FDP nun Klarheit schaffen. Doch ihr Antrag, definitiv zu erklären, die Gemeinde werde sich bis zur endgültigen Entscheidung über die Verfassungsklage jeder Bauleitplanung verweigern, fand gegen die Stimmen der CDU keine Mehrheit.

Denn vor einer totalen Blockadehaltung schreckt CDU-Bürgermeister Rudi Schmitz vorerst zurück. Schmitz will über die Bauleitplanung erst im nächsten Sommer entscheiden. Schon gegen diese Verzögerung läuft die Düsseldorfer SPD-Spitze Sturm. In wohlgesetzten Worten machte sogar Ministerpräsident Rau öffentlich Druck: Es läge im Interesse aller Beteiligten, „daß Jüchen von sich aus seinen Verpflichtungen“ entspreche. Doch da macht Schmitz nicht mit: „Wenn diese Landesregierung zu feige ist, GarzweilerII durchzusetzen, dann ist es unbillig, das auf die Gemeinde abzuwälzen.“

Stellte die SPD allein noch die Düsseldorfer Regierung, hätte Jüchen keine Chance. Dann drohte der Anweisungshammer, denn das Landesplanungsgesetz räumt der Regierung das Recht ein, die Gemeinde zur Planung zu zwingen. Doch da seien die Grünen vor. Wohl wissend um die Brisanz dieser Planung, setzten sie im Koalitionsvertrag eine Passage durch, in der es wörtlich heißt: „Über die Bauleitplanung entscheidet die Gemeinde Jüchen in eigener Verantwortung.“ Durch diese Formulierung sei, so der grüne Landtagsabgeordnete Gerd Mai, eine Anweisung „explizit ausgeschlossen, und die wird es deshalb auch nicht geben“.

In einem Brief an Bürgermeister Schmitz hat auch die zuständige grüne Umweltministerin Bärbel Höhn inzwischen angekündigt, daß sie eine Weisung „für nicht vorstellbar halte“. Im „Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten“ werde sie ihre „ganze Kraft dafür einsetzen“, daß der Tagebau „nicht kommt“. Wirtschaftsminister Clement hält dagegen: Eine eventuelle Anweisung sei „keine Frage, die Frau Höhn allein entscheiden kann“. Im Zweifelsfall entscheide das Kabinett – und da habe die SPD die Mehrheit. Nun, nutzte die SPD tatsächlich diese Mehrheit zum Vertragsbruch, dann stünde die Koalition vor dem Aus.

Die Jüchener Genossen würden Clement dann wohl ihre Parteibücher vor die Füße knallen. Nur Matthias Frenzen, bis zum 1. Oktober noch SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Gemeinde Jüchen, dürfte das egal sein. In einer Blitzaktion verkaufte Frenzen jüngst Haus und Hof an Rheinbraun – und wanderte aus. Unter der Sonne der portugiesischen Algarve erfreut er sich seiner Rente.

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