Das „Abbild von Kalkar in Japan“

■ betr.: „Japan schlittert am GAU vorbei“, taz vom 11. 12. 95

Man müßte lachen, wenn es nicht so traurig und so gefährlich wäre. Den dieser Tage in Japan schwer havarierten Plutoniumbrüter „Monju“ (der Löwe) lobte ausgerechnet in der Dezemberausgabe des Branchenfachblattes atomwirtschaft, Organ der Deutschen Kerntechnischen Gesellschaft, ein „Experte“ der GRS-Gesellschaft für (Atom-)Anlagen- und Reaktorsicherheit, Köln, als „ein Abbild des in Deutschland nicht ans Netz genommenen“, von Siemens gebauten Plutoniumbrüters Kalkar. Daß in Kalkar für nichts und wieder nichts mehr als sieben Milliarden Mark in den Sand gesetzt worden sind, wurde damals von Bundesregierung und Siemens-Konzernspitze in schöner Eintracht vor den Fernsehschirmen als „politisch nicht durchsetzbar“ besungen. Offen blieb die Frage, warum Bonn damals nicht den sonst bei jeder Gelegenheit aus dem Sack geholten Weisungsknüppel geschwungen hat.

Schon Monate vorher sollten gute Freunde Bundeskanzler Kohl dringend abgeraten haben, diesen Siemens-Plutoniumbrüter für die damals bevorstehende Bundestagswahl 1990 zum Wahlhit zu machen. Wie recht sie hatten, dafür liefert jetzt „das Abbild“ von Kalkar in Japan den Beweis. Man mußte zwei Tage warten, bis sich die dichte Wolke aus verdampftem hochradioaktivem Natrium weit genug übers Land verteilt hatte, bis „Experten“ das Wrack in Augenschein nehmen konnten. Das „Abbild von Kalkar in Japan“ steht 230 Kilometer von Tokio entfernt. Das ist etwas weniger als Frankfurt am Main–Kalkar. Hans Grossmann, Maintal