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Warum sollen wir alle Tiere testen?

■ Interview mit Keith Meldrum, Chefveterinär der britischen Regierung, zum Vorwurf, er unterdrücke anderslautende Ergebnisse

taz: Herr Meldrum, jede Woche 300 neue Fälle von BSE, Schulen haben Rindfleisch vom Speiseplan gestrichen, Wissenschaftler und Ärzte erklären öffentlich, daß sie kein Rindfleisch mehr essen. Einige Wissenschaftler sagen sogar in aller Deutlichkeit, daß BSE auf Menschen übertragbar ist. Sind Sie immer noch sicher, daß britisches Rindfleisch unbedenklich ist?

Keith Meldrum: Wir verzeichnen im Vergleich zum letzten Jahr einen 40prozentigen Rückgang in der Zahl der registrierten BSE- Fälle. Das ist die Folge des Verbots, an Wiederkäuer Protein zu verfüttern. Diesen Erfolg müssen wir der Bevölkerung vermitteln.

Sie behaupten immer, es gebe keinen Beweis für eine Verbindung zwischen BSE und dem Creutzfeld-Jakob-Syndrom beim Menschen. Ist BSE nun auf den Menschen übertragbar oder nicht?

Das wissen wir nicht. Es gibt jedenfalls keinen Beweis für eine Übertragbarkeit.

Aber auch keinen Beweis für das Gegenteil. Wichtig sind also Kontrollen. Wie stellen Sie sicher, daß kein infiziertes Rindfleisch auf den Tisch gelangt?

Wir führen Inspektionen in den Schlachthöfen durch. Ein Veterinär guckt sich jedes Tier an, um sicherzugehen, daß es keine Anzeichen einer Krankheit aufweist.

Aber man kann die Krankheit doch nicht erkennen, wenn sie noch im Frühstadium ist... Jedes Tier, das klinische Symptome zeigt, wird bei der Inspektion getötet. Und seit 1989 wird bei gesunden Rindern Gewebe, das den BSE-Erreger enthalten könnte, im Schlachthof entnommen. Das kann somit nicht in die menschliche Nahrungskette gelangen. So stellen wir sicher, daß kein Knochenmark, kein Rückenmark, Milz, Mandeln, Gehirn oder Därme den Schlachthof verlassen. Das ist ein wichtiger Schutz.

Das ist überhaupt kein Schutz. Außerdem ist die Methode völlig unwissenschaftlich.

Sie fragen nicht, Sie arbeiten mit Unterstellungen.

Ich stelle Fragen, auf die ich gern eine Antwort hätte – auch und gerade als Verbraucher. Was zum Beispiel ist mit dem Fleisch?

Das Fleisch kann ohne Bedenken gegessen werden.

Das sagen Sie immer noch?

Die Wissenschaftler, auch die unabhängigen, die im Auftrag der Regierung arbeiten, sind davon überzeugt. Und das ist auch die Meinung des Gesundheitsministeriums und der Mehrheit der Wissenschaftler in diesem Lande.

Es genügt doch, wenn eine Handvoll Wissenschaftler und Ärzte vor dem Verzehr von Rindfleisch warnen. Sogar Ihre Regierung hat zugegeben, daß Dr. Narangs erster Test zu 80 Prozent akkurat ist. 25 Prozent der Hirngewebsproben, die er untersucht hat, waren positiv. Narang sagt: Rindfleisch ist nicht sicher. Und jetzt hat derselbe Wissenschaftler einen Test am lebendigen Tier vorgenommen: den Urintest. Warum geben Sie dem Mann kein Labor und ein Gehalt?

Der erste Test von Dr. Narang an Rinderhirnen war nur zu 80 Prozent akkurat ...

„Nur“ 80 Prozent? Hat es Sie jetzt auch erwischt?

Unser Test ist es zu 100 Prozent.

Aber in der Praxis unbrauchbar. Sie testen nicht jedes Tier.

Warum sollten wir. Die Tiere, die in den Schlachthof kommen, sind zu dieser Zeit völlig gesund.

Sie wissen aber, daß kranke Tiere in die Schlachthöfe kommen.

Weiß ich nicht. Das sind nur Gerüchte. Aber wir akzeptieren die Möglichkeit, daß sie den Erreger in sich tragen.

Aber warum nicht ganz auf Nummer Sicher gehen und Narangs Test durchführen, der zu 80 Prozent akkurat ist?

Der Urintest ist noch nicht für gültig erklärt worden. Ich kenne das Verfahren nicht.

Aber Dr. Narang hat ihn der Rgierung angeboten. Wäre es nicht Ihre Aufgabe, ihn anzurufen und ihm sofort einen Job anzubieten?

Falls er einen Urintest hat, soll er uns die Details schriftlich übermitteln. Wir werden das dann sorgfältig prüfen.

Ich bitte Sie, es gibt doch keine Zeit zu verlieren. Schließlich geht es auch um das Vertrauen der Verbraucher. Dr. Narang sagt ja nicht, daß die Leute kein Rindfleisch mehr essen sollen. Er rät lediglich dazu, nur solches Rindfleisch zu essen, das getestet ist. Ist es nicht an der Zeit, daß der Mann ernst genommen wird?

Dr. Narang muß erst noch zeigen, daß sein Urintest tatsächlich Erfolge bringt.

Würde er liebend gerne tun. Schon morgen könnte er hier sein.

Wir haben schon viel Geld ausgegeben, um seine Methode zu überprüfen. Unsere Leute waren nicht in der Lage, seine Versuche zu wiederholen.

Vielleicht sollten Sie es zur Abwechslung mal mit Zusammenarbeit versuchen ...

Noch mal: Wenn uns Dr. Narang die Einzelheiten seines Test schriftlich übermittelt, werden wir uns das natürlich ansehen.

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