Das Portrait
: Schüler der Paten

■ Betr.: Ichiro Ozawa

Zweieinhalb Jahre nach dem Ende der liberaldemokratischen Alleinherrschaft wird in der japanischen Politik endlich wieder ernst gespielt: Dafür sorgte gestern die Wahl von Ichiro Ozawa, 53, zum neuen Oppositionschef in Tokio. Mit Ozawa kehrt nicht nur der international meistbeachtete Politiker des Landes in die vorderste Linie der japanischen Politik zurück, sondern auch der erfolgreichste Reformer der vergangenen Jahre. Sowohl der Sturz der Liberaldemokratischen Partei (LDP), aus der Ozawa erst 1993 austrat, als auch die Einführung eines neuen Wahlgesetzes gelten als Reformwerke des bulligen Profipolitikers.

Ichiro Ozawa, Japans neuer Oppositionsführer Foto: Reuter

Am Mittwoch schlug der Sohn eines Politikers aus Iwate, Nordjapan, bei einer Mitgliederabstimmung der oppositionellen Neuen Fortschrittspartei (NFP) seinen parteiinternen Gegner, Ex- Premier Tsutomu Hata, mit 1,120012 Millionen gegen 566.998 Stimmen. Überraschend daran war weniger der Sieg des Chefstrategen der Opposition als vielmehr die Tatsache, daß dieser sich überhaupt bereit gefunden hatte, für das Amt des Parteichefs zu kandidieren. Bisher hatte Ozawa einen versteckteren Weg zur Macht gewählt. Als Schüler der mächtigsten japanischen Nachkriegspolitiker hatte Ozawa gelernt, daß wirkliche Macht mit dem Glanz eines Amtes oft wenig zu tun hat. Tatsächlich hatten japanische Premierminister in den letzten Jahren erschreckend wenig Einfluß auf die Politik.

Daß es Ozawa in seiner neuen Rolle als Parteichef trotzdem wagen wird, in einer weit unsichereren Ausgangssituation für das Amt des Regierungschefs zu kandidieren, hängt mit seiner Wahrnehmung der Reformen zusammen. Für ihn hat mit der Einführung des Mehrheitswahlrechts bei den nächsten Parlamentswahlen und der Gründung der NFP als größter Oppositionspartei eine neue Ära der japanischen Politik begonnen, die sich durch einen Wettstreit um die Macht auszeichnet, den es zu Zeiten der liberaldemokratischen Alleinherrschaft nicht gegeben hatte. Das damalige korrupte System bedingte nach Ozawas Einschätzung die langjährige Kulissenherrschaft der LDP- Paten Kakuei Tanaka und Shin Kanemaru, die zu seinen Vorbilden zählten. Heute sieht Ozawa die Voraussetzungen für einen demokratischen Meinungsstreit in der Öffentlichkeit erfüllt. „Wichtig ist, daß wir an die Regierung kommen“, gab er gestern seine pragmatische Losung aus. Georg Blume