Sechs Mark für "was Nettes"

■ Wer der Telekom schmeichelte, bekam eine Telefonkarte. "Wahnsinns-Resonanz" und kaum Beschimpfungen auf einer gebührenpflichtigen Leitung

Es ist jetzt wirklich bitter, Telekommensch zu sein. Volkes Zorn ist fürchterlich, die Wogen der Empörung schlagen hoch. Und wen trifft's? Immer die Falschen, die kleinen Mitarbeiter der Telekom, die raus müssen an die Front, in die Haushalte des Normalbürgers, dort neue Anschlüsse legen, Störungen beseitigen und anderes. Glücklich die Mitarbeiter, welche vorausschauend ihren Jahresurlaub genommen haben.

In den Läden der Telekom müssen sich die Mitarbeiter wüste Beschimpfungen jetzt tagein, tagaus anhören. „Abzocker“ und „Schlampen“ seien sie, dämlich noch dazu. So geht's nicht weiter, hat sich die Gewerkschaft, der Deutsche Postverband (DPV), gesagt und ihrerseits auf die Politiker geschimpft, die jetzt in das allgemeine Wehklagen einstimmen würden, aber selbst für die Privatisierung der Telekom mitverantwortlich seien. Schadensbegrenzung war angesagt. Damit wenigstens ein paar ihrer Bediensteten in diesen Tagen wieder etwas besser draufkommen, hat die DPV eine Telefonaktion gestartet: Wer gestern vormittag zwischen acht und zwölf Uhr bei dem Verband anrief und „was Nettes“ über die Telekom sagte, dem winkte eine Telefonkarte mit sechs Mark Guthaben. 100 Stück. Schon um neun Uhr waren die weg. Für die übrigen 400 Anrufer haben die Gewerkschaftler großzügig nachgebessert. Zehn Stück werden jetzt nochmal getrennt verlost. Gebührenzähler wäre natürlich noch besser gewesen. Die sind nämlich jetzt überall ausverkauft und nirgends zu kriegen in der Stadt.

„Wahnsinns-Resonanz“ teilte der Postverband nach der Aktion mit. Von sieben bis 75 Jahre und quer durch alle Schichten hätten die Leute angerufen. Beschimpfungen habe es so gut wie keine gegeben. Sechs Stück. Einer sei ausfallend geworden („Ihr Ärsche“). Sonst viele nette Worte über die freundlichen, hilfsbereiten und liebevollen Leute vom Außendienst, die schnelle und prompte Versorgung bei der Auskunft, den zuverlässigen und leistungsstarken Service. Also: vierhundervierundneunzig mal Balsam für die geplagten Seelen der kleinen Telekom- Angestellten.

Manche Bürger haben auch gefaxt. Sie haben sich ihr ganz persönliches Verslein gemacht. Etwa Margot S.: „jetzt schimpfen viele Leute – das ist klar – / doch sollen diese nicht vergessen, / brauchen sie Anschlüsse oder Adressen / die Telkom macht's.“ Oder Markus H.: „Was soll der kleine Mitarbeiter da noch machen / bleibt nur sich nicht zu frusten und dennoch lachen.“ Schließlich: „Ich kenne viele Leute von der Telekom, und die sind wirklich super“, faxt Iris. Christoph Oellers