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Die Hausaufgaben erst halb erledigt

■ Ende dieser Woche wollen SPD und CDU den Koalitionsvertrag ausformuliert haben. Die sechs Arbeitsgruppen haben die Knackpunkte nicht lösen können. Nun ist die große Koalitionsrunde gefordert

Noch vor Weihnachten hatten CDU und SPD vollmundig angekündigt, bis 1999 rund 18.000 Stellen abzubauen und auf diesem Wege jährlich vier Milliarden Mark einzusparen. Nun aber werden es jährlich nur knapp zwei Milliarden Mark sein. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU), so mußten die überraschten Verhandler feststellen, hat nämlich schon den Abbau von jährlich 3.500 Stellen in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlagt. Tatsächlich eingespart haben CDU und SPD also nur viertausend Stellen.

Nachdem eine Woche lang sechs Arbeitsgruppen rund 400 Themen abgehandelt hatten, bleibt der großen Koalitionsrunde, die von Dienstag bis Donnerstag tagen soll, noch viel Arbeit. Lediglich zwei der vier Milliarden seien im Personalberich bislang eingespart worden, bestätigte SPD- Fraktionschef Klaus Böger. Die Restsumme soll nun den Gewerkschaften durch Zugeständnisse im Tarifrecht abgetrotzt werden. Wie dererlei „Tabubrüche“ (SPD- Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller) aussehen könnten, machte Finanzsenator Pieroth deutlich: Die oberen Gehaltsgruppen im öffentlichen Dienst verzichten vier Jahre lang auf Lohnsteigerungen. Eine Modell, wie es die Große Koalitionäre in Bremen vereinbart haben.

Die SPD wiederum, dem Vorschlag nicht abgeneigt, spricht von weiteren Möglichkeiten, die Sparquote zu ereichen und damit Entlassungen zu vermeiden: Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnausgleich, längere Beurlaubungszeiten ohne Bezüge, weniger Beförderungen, verstärkte Angebote für den freiwilligen und bezahlten Ausstieg aus dem öffentlichen Dienst (goldener Handschlag).

Bislang wurde beim Personal folgender Abbau vereinbart: Polizeiverwaltung (ohne Kripo und Schutzbeamte) 2.000, Kopfstellen der Hauptverwaltung 2.000, Bezirke 6.000, Justiz 700, Oberfinanzdirektion 600. Bei den Schulen wurden, so hieß es auf Verhandlungskreisen, bislang 2.200 Stellen gekürzt.

Für eine Reihe offenstehender Punkte werden in dieser Woche Formulierungskünstler verlangt. So beim Fusionsdatum zur Länderehe, die die SPD 1999 vollziehen möchte. Beim Brandenburger Tor will die CDU die Öffnung und hat über Stadtentwicklungsenator Volker Hassemers vorgeschlagen, links und rechts des Mitteltores die Durchfahrt zu erlauben.

Dagegen ist zwar die SPD, aber auch sie will das Dauerthema endlich vom Tisch haben und schließt eine zeitlich beschränkte Öffnung des Tores nicht mehr aus. Allerdings will die SPD dabei den gesamten Verkehrsbereich in Mitte mitsamt der Dorotheen-, Behrens- und Französische Straße einbeziehen.

Kompromißformeln werden auch beim Thema Großflughafen gesucht, bei dem die SPD weiterhin für Sperenberg als Standort plädiert. Das gilt auch für die U5, deren Bau die SPD in dieser Legislaturperiode (noch) ablehnt. Nicht unwahrscheinlich ist, daß der einzelne Bauabschnitte zeitlich gestreckt werden, wie es Stadtplanungssenator Hassemer in der Arbeitsgruppe vorschlug.

Spannend dürfet es auch beim Wohnungsbau zugehen: Die SPD will „ausschließlich“, die CDU „vorwiegend“ landeseigene Wohnungen an Genossenschaften veräußern. Darüber hinaus sind noch eine Reihe weiterer Punkte unklar: der Verzicht auf eine strafrechtliche Verfolgung von Besitzern kleiner Drogenmengen, Pilotprojekte für Spritzenvergabe in Knästen, die Zukunft des Landesschulamtes, der Umgang mit dem Palast der Republik, der Verkauf von Bewag-Anteilen.

In dieser Woche kristallisiert sich zudem heraus, worüber in den letzten Wochen munter spekuliert wurde: Wie viele Ressorts es künftig noch geben wird, und wer welchen Posten bekleidet. Diepgen lehnte die von der SPD verlangte Verkleinerung auf sieben Ressorts bereits ab und forderte eine an die Senatskanzlei angedockte Superplanungsebene. Severin Weiland

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