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Ausweisung freut britische Rüstungsindustrie

■ Saudischer Dissident stört erhofften Waffendeal über drei Milliarden Pfund

Dublin (taz) – Muhammad Abdalla al-Masari habe die britische Gastfreundschaft mißbraucht, sagte Premierminister John Major vorgestern. „Er hat versucht, unser Verhältnis zu unseren Allierten zu stören.“ Deshalb soll er weg – am besten auf die kleine Karibikinsel Dominica, wohin man ihn am 19. Januar deportieren will.

Al-Masari ist einer der bekanntesten saudischen Dissidenten. Seit seiner Flucht nach Großbritannien faxt er Rundbriefe an arabische Adressen mit genauen Angaben über korrupte Beamte (taz vom 5. 1.). Unter dem Titel „Prinz des Monats“ stellt er regelmäßig ein Mitglied der Herrscherfamilie bloß. Daß er politisch verfolgt wird, stellt auch die britische Regierung nicht in Frage. Aber hier gehe es um „nationale Interessen“, sagte die Staatssekretärin, Ann Widdecombe. „Und die machen die Entfernung von Herrn al-Masari notwendig.“

Worin diese nationalen Interessen bestehen, geht aus einem internen Memorandum der Rüstungsfirma Vickers hervor, das am Wochenende bekannt wurde. Darin beschreibt Vickers-Chef Colin Chandler, früher für die Waffengeschäfte des Verteidigungsministeriums zuständig, seine Diskussionen mit den Vorsitzenden der Rüstungsfirmen British Aerospace, GKN und VSEL über den Fall al-Masari: In den Chefetagen und bei der britischen Regierung macht man sich erhebliche Sorgen, daß al-Masaris Aktivitäten die Saudis verärgern könnten, verhandeln die vier Firmen zur Zeit doch mit Saudi-Arabien über einen Waffendeal im Wert von drei Milliarden Pfund.

Vorige Woche hat die britische Regierung Andrew Green als neuen Botschafter nach Saudi- Arabien entsandt. Wie der Zufall so spielt: Green ist einer der Direktoren von Vickers.

Um die Regierung in Riad milde zu stimmen, hat Green ihr britisches Geheimdienstmaterial über Saddam Hussein überreicht. Chandler: „Das hat uns eine Menge Beifall eingebracht.“ Offenbar hat man sogar erwogen, al- Masari auf andere Art loszuwerden. „Eine direkte saudische Intervention gegen ihn könnte schwierig sein“, heißt es im Chandler-Memorandum, „weil er der Sohn eines führenden Geistlichen im Königreich ist.“ Außerdem gebe es „genügend andere Leute in al-Masaris Organisation, die seinen Platz einnehmen würden, sollte man ihn persönlich zum Schweigen bringen“.

Vorerst hat man nur die BBC zum Schweigen gebracht: In ihrem arabischen Programm, daß über einen Satellitensender in Rom ausgestrahlt wird, ist jede Erwähnung der Affäre um al-Masari ausgeblendet worden. Der römische Sender gehört einem Cousin von König Fahd.

Al-Masari, dem inzwischen die saudi-arabische Staatsbürgerschaft aberkannt worden ist, hat Berufung gegen seine Ausweisung nach Dominica eingelegt. Dem dortigen Regierungschef, Edison James, hat man die Aufnahme des saudischen Dissidenten schmackhaft gemacht, indem man ihm versprach, die britische Entwicklungshilfe von 500.000 auf zwei Millionen Pfund aufzustocken. Aber auch auf der Karibikinsel rührt sich Widerstand: Rosie Douglas, die Vorsitzende der oppositionellen Labour Party, traf gestern in London ein und protestierte gegen al-Masaris Ausweisung. Und die ehemalige dominikische Premierministerin Eugenia Charles, die 1983 die US-Truppen nach Grenada gerufen hatte, drohte mit einer Blockade des Flughafens der Hauptstadt Roseau. „Wir haben genug eigene Probleme“, sagte sie, „wir müssen nicht auch noch welche importieren.“ Ralf Sotscheck

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