„Es sind keine Nerver dabei“

■ Radio 107.1: gnadenlos lokal, topaktueller Verkehrsfunk, viel Sopftpop und 1a-Flow

Da kommt der Jingle. Die blonde Esther Busch wippt in den Hüften: „Und nun das Bremen-Wetter. Es ist kalt und glitschig. Bleiben Sie im Bett!“ Irgendwo im Studio leuchtet ein bedrohliches „On Air“, aber das ist gelogen. Noch probt „Radio 107.1“ den Ernstfall – erst heute um 14 Uhr geht das neue und erste Bremer Privatradio für dreieinhalb Stunden täglich in den Äther. Und im funkelnagelneuen Studio an der Schlachte wird bis zuletzt an dem Kunststück geübt, den Ernstfall locker und fröhlich klingen zu lassen.

Esther Busch, privatradioerfahrene Programmchefin (Antenne Niedersachsen), „führt durchs Programm“, sagt Falcon Hechtenberg (DJ auf Gran Canaria, RTL): „Und ich komme mit Infotainment von der Seite. Mit den hard facts.“ Doppelmoderation: bei vier Moderatoren ein ziemlicher Luxus. Die beiden üben noch, sich die Bälle zuzuwerfen, mancher geht daneben. Aber die kleinen Katastrophen werden elegant zu liebenswerten Menschlichkeiten umgemünzt. „Egal was passiert: du mußt durch. Und wenn du sagst: Meine Oma sitzt auf dem Klo.“ Sagt Esther Busch zu Moderator Martin, der zwar auch Busch heißt, aber Sohn des singenden Bremer Professors Dirk Busch ist. Und dann geht es um ein runterzufahrendes Musikbett, steriles Übergeben und eine Drohung, die keine ist: Während dem O-Ton ziehe ich dich runter! Profis bei der Arbeit.

In Bremen wird das Radio nicht neu erfunden; darum sind die Infohäppchen nicht länger als 1:30, also eineinhalb Minuten. Und das zentrale Möbel im Studio ist der CD-Ständer. Im Display der Radios, die den empfangenen Sender anzeigen können, wird zur Sendezeit statt DLF nicht „Radio 107.1“ stehen (zu viele Buchstaben), sondern „SOFTHIT“. Musik ist das zentrale Ereignis, Bremen der Beigeschmack. Rod Stewart, Sting, Barbra Streisand, Cliff Richard, Lionel Ritchie, Michael Jackson – „Es sind keine Nerver dabei,“ informiert Falcon. Die Vorauswahl der Titel traf ein Computer, der weiß, daß nie eine Frauenstimme auf eine Frauenstimme folgen darf und kein Westcoast-Sound auf einen Eastcoast-Sound. Die Musik ist „klangbetont, spärisch, und bietet Raum für Wahnsinnsblenden.“ Da wird es keine Ritzen und Brüche im Programm sein, das „muß ein Flow sein“. Aber: „keine Berieselung“. Wer den Unterschied kennt, kann schon Privatradio machen.

Schwere Zigaretten werden gerollt, Promis rufen an. Sie sollen dem neuen Radio in den nächsten Tagen gratulieren, das wird schon mal mitgeschnitten. Dann deutet Falcon stolz auf eine gelbe Taste. Wenn die blinkt, ruft ein Taxifahrer an, der einen Bremer Stau durchgibt. Stau auf dem Herdentorsteinweg – zack: Staumeldung im Radio.

Dieses Radio ist gnadenlos lokal, weshalb es zur vollen Stunde Bremer Nachrichten gibt. Und nur zur halben Stunde kommt bei 107.1 die Welt vor – via Satellitenschüssel von einer Nachrichtenagentur. Im übrigen ist 107.1 eine Überraschungstüte. Verraten wird vorher weder, was sich der Schlachtefunk unter „Bremer Comedy“ vorstellt; noch, welche Werbung in den Flow eingepaßt werden muß und mit welchen Gewinnspielen die Hörer verwöhnt werden. Nur eins sickerte durch: Es wird eine Grippewellen-Telefonaktion geben. Wer am besten schnieft, gewinnt eine Reise in die Karibik (in Zusammenarbeit mit dem Reisebüro xyz).

Burkhard Straßmann