: Eine Sportart im Aufwärtstrend
■ Talentsichtung und Nachwuchsarbeit bei Hamburgs Footballern „Blue Devils“
Wegen akuter Nässe mußten die Blue Devils, Hamburgs stärkstes American Footballteam, dem Volksparkstadion entsagen. Ihre sogenannten Tryouts, das alljährliche Sichtungsturnier für Neuverpflichtungen, wurden Sonnabend auf football-untypisches Terrain in eine Halle nach Rissen verlegt. Verschiedene Sprintübungen, Standsprünge, Koordinationsfähigkeit, die circa 30 Bewerber mußten all ihr Talent unter Beweis stellen, um in die engere Auswahl des Spielerkaders zu kommen. Genau 13 Spieler wurden am Ende zu einem ersten Training Ende des Monats geladen. In diesem wird dann entschieden, wer zu den 60 Mann gehört, die für den Eurobowl ab 31. März nominiert werden.
Headcoach George White selbst prüfte die Football-Kandidaten vor allem auf positionsbezogene Qualitäten. „Bei den Verteidigern achte ich darauf, wie sie blocken, der Runningback muß gut fangen können“, so White. Der Kalifornier ist nach einem Jahr Pause an die Elbe zurückgekehrt. Er trainierte die „Blauen Teufel“ bereits von 1992-94. White, der Montag seinen 60. Geburtstag feiert, sammelte seine Erfahrungen einst an der Galileo Highschool in San Franscisco, die auch O.J. Simpson besuchte.
Auch bei dem ganz jungen Nachwuchs tut sich was, denn auf den Schulen gewinnen amerikanische Sportarten immer mehr an Attraktivität. Und die Vereine tun viel für den Jugendbereich. Devils-Chef Axel Gernert will speziell für die Jugendarbeit vier neue Coaches aus Amerika holen.
In den Eurobowl-Spielen wird der deutsche Vize-Meister auf den schwedischen Champion Solna Chiefs und Finnlands Titelträger Helsinki Roosters treffen. In der Bundesliga wird dann am 13. April gegen die Berlin Adler um Punkte gekämpft. Hierbei dürfen pro Spiel 50 verschiedene Spieler nominiert werden, weshalb der Verein auf eine Kadererweiterung hofft.
American Football ist Show. So kommen die im Schnitt gut 9.000 Zuschauer nicht nur wegen des Sports, sondern auch wegen der Party, die drumherum veranstaltet wird. Dazu gehören zum Beispiel die Cheerleaders, und die der Blue Devils, die Blue Angels, sind Europameisterinnen in ihrem Fach. Auch das Randvergnügen ist im Football also purer Wettkampf.
Dennoch ist es eher unwahrscheinlich, daß American Football hier einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wird wie in den Vereinigten Staaten. Dort ist es das Medienspektakel Nummer eins, und die Spieler gehören mit einem Jahresverdienst von durchschnittlich einer halben Million Dollar zu den Topverdienern Amerikas.
Da wirken die Ziele der Blue Devils eher bescheiden. Die Mannen um Quarterback Dino Bucciol wollen in diesem Jahr endlich die Deutsche Meisterschaft gewinnen und sich gegen europäische Spitzenteams wie Bergamo Lions oder Amsterdam Crusaders durchsetzen. Am kommenden Samstag werden noch einmal Spieler gesichtet, um dann verstärkt in die Footballsaison 1996 hineinzugehen. Martin Sonnleitner
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