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Die SPD-Fraktion lehnt sich entspannt zurück

■ Im Bonner Regierungslager wird interveniert, intrigiert und spekuliert, daß es nach langer Zeit der Dürre für Beobachter der politischen Szene eine Freude ist

Geht man nach dem obersten politischen Grundsatz „Glaube nie etwas, das nicht offiziell dementiert wurde“, wird es ein spannender Frühling für die Bonner Koalition. Da mag der erste stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Michael Glos, nach der Aufregung über potentielle FDP-Überläufer vom vergangenen Wochenende auch im Hintergrundgespräch mit Bonner Journalisten über den „professionellen Nachrichtenfälscher“ Peter Struck von den Sozialdemokraten herziehen – sicher ist er seines Koalitionspartners in voller Mannstärke nicht.

Trotz des Winters herrschen ansteigende Temperaturen im Bonner Treibhaus. Mag auch der Anlaß ein vordergründig geringer gewesen sein (ein FDP-Abgeordneter fragt einen wichtigen SPD-Abgeordneten, ob bei einem eventuellen Übertritt mit der Zusicherung von Wahlkreisen zu rechnen sei) – er genügte, um die Spekulationen anzuheizen. Im Regierungslager wird endlich wieder interveniert, intrigiert und spekuliert, daß es nach langer Zeit der Dürre für die politischen Beobachter eine Freude ist.

Das entscheidende bevorstehende Datum: die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Baden- Württemberg und Rheinland- Pfalz im März. Bricht der kleine Koalitionspartner auseinander oder in sich zusammen, wenn die Liberalen außen vor bleiben? Jürgen Möllemann denkt für den Fall der Fälle schon an eine neue liberale Partei, in der er endlich Vorsitzender werden könnte.

Oder, so das andere Gerücht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger übernimmt das Ruder, falls Gerhardt das Handtuch wirft. Im Zusammenhang mit dem Niedergangsszenario ist auch die Verweigerungsdrohung für den Haushalt 1997 der drei Abgeordneten Stadler, Weng und Koppelin zu sehen: Profilierung um jeden Preis, selbst um den, den Kanzler zu verärgern. Jeder der Verdächtigten weist selbstverständlich jedwede Übertrittsabsicht weit von sich. Und die Abstimmung über den Bundeshaushalt wird erst im November diesen Jahres stattfinden. Hinzu kommt, daß bei der ziemlich rechten Zusammensetzung außer den Gehandelten kaum potentielle Überläufer auszumachen sind, die der SPD-Basis vermittelbar wären. Bei Scharpings lehnt man sich gemütlich zurück: Endlich ist das Regierungslager mal Gegenstand der Aufregung und des Schlingerns – eine Situation, die Rudolf Scharping unter dem Druck des Parteivorsitzes nie herbeizuführen in der Lage war.

Die Stunde der Politprofis hat geschlagen. Jetzt gehe es „um neunundneunzig Prozent Taktik und um ein Prozent Wirklichkeit“, ist aus der Fraktionsspitze der Sozialdemokraten zu hören. Das dürfte der Wirklichkeit zur Stunde ziemlich nahe kommen. Kanzler Kohl hat derzeit so richtig nur seine CDU im Griff. Denn selbst in der CSU gärt es heftig nach der Kreuther Klausurtagung und Stoibers Auftritt. Der CSU- Landesgruppenchef Glos spricht zwar vom „üblen Gebräu“, das die Zeitungen angerührt hätten. Aber der Diadochenkampf zwischen dem Löwen der Staatskanzlei und dem Schulden-Theo ist voll entbrannt. Ja, das waren noch Zeiten, als Parteivorsitz und bayerische Regentschaft in einer starken Hand lagen, hängen die Führungskader der CSU den alten FJS-Zeiten nach.

Und dann der Auftritt von Stoiber im schleswig-holsteinischen Wahlkampf! Läuft sich der Edi für eine eventuelle Kanzlerkandidatur warm, für den Fall, daß der Dicke die Brocken hinwirft und Schäuble die Große Koalition nicht zu stemmen in der Lage ist? Seine jüngsten Initiativen zur Sozialpolitik und den Gesprächen mit den Gewerkschaften deuten darauf hin, daß nicht nur sein Wahlkampf für Bayern 1998, sondern auch der Endfight mit Waigel um die Hegemonie in der CSU auf vollen Touren läuft.

Die Gründe, warum Helmut Kohl selbst aus CSU-Führungskreisen bestürmt wird, noch mal anzutreten, sind also vielfältig. Denn nur wenn es gelingt, die Führungsfrage für die nächsten Bundestagswahlen zu klären, so ist aus Unionskreisen zu hören, habe man die Chance, den dahinsiechenden Partner zu verschmerzen. Für die politischen Beobachter scheint die Frage geklärt, ob die FDP eine Wiedereinzugschance bei fortlaufender Übertrittsdebatte hätte: Die dann folgende Verratskampagne der Union würde ihr endgültig den Garaus machen.

Heinz Suhr

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