: Frische Kontrolleure jagen alten Kunststoff
■ Duales System will nach Skandalen Kontrolle des Kunststoffrecycling verbessern
Bonn (taz) – Wolfram Brück gibt sich entschlossen: „Künftig werden wir die Kripo oder Staatsanwaltschaft einschalten, wenn nur der Hauch eines Verdachts besteht.“ Der Chef des Dualen Systems Deutschland (DSD) und Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kunststoffrecycling (DKR) will verhindern, daß der Grüne Punkt wieder permanent Negativschlagzeilen macht.
Erst im November war nach einem Brand aufgeflogen, daß der größte deutsche Folienverwerter DSD-Gelder auch für Kunststoffmüll ohne Punkte abkassiert hatte. Und vor ein paar Tagen entdeckten Journalisten deutschen Plastikmüll in einem schwedischen Kraftwerk.
Brück kündigte an, mit einer „vertieften Verwertungskontrolle“ jetzt den schwarzen Schafen das Handwerk zu legen. Über 80 Recyclingbetriebe im In- und 50 im Ausland müssen demnächst mit unangemeldeten Kontrollen rechnen, versprach Brück. Dafür sollen neue Leute bei der DKR eingestellt werden – ihre Lohntüten füllen die KonsumentInnen, die grünbepunktete Produkte kaufen.
Zur Zeit müssen die VerbraucherInnen für die Verarbeitung einer Tonne fettverschmierter Hähnchenfolien und verklebter Joghurtbecher 500 bis 750 Mark bezahlen. Hinzu kommen noch etwa 2.400 Mark fürs Einsammeln und Sortieren – so teuer ist ansonsten nur noch Sondermüll.
Die DKR will versuchen, langfristig die Kosten ein bißchen zu senken. Dabei setzt sie vor allem auf das sogenannte rohstoffliche Verwerten, bei dem der ganze Plastikmüll entweder in verschiedene chemische Bestandteile zerlegt oder in einem Hochofen als Reduktionsmittel verwendet wird.
Interessiert daran sind Strom-, Chemie und Stahlkonzerne, die im Müllgeschäft inzwischen das Kommando übernommen haben. Zur Branche gehören BASF genauso wie Klöckner, RWE, Veba oder die Stahlwerke Bremen. KritikerInnen sehen in der „rohstofflichen Verwertung“ nichts anderes als Verbrennung von Kunststoff und eine versteckte Subventionierung der Stahlindustrie durch die VerbraucherInnen.
Während die Stahlkocher nämlich normalerweise ihren Koks selbst finanzieren müssen, bekommen sie von der DKR das Brennmaterial nicht nur frei Haus, sondern sogar noch 500 Mark pro Tonne obendrauf.
Brück glaubt, den Preis hierfür langfristig drücken zu können und damit auch die Hersteller von Parkbänken und Zaunpfählen unter Druck zu setzen. Deshalb protestiert er bei der Bundesregierung auch gegen einen Absatz in der geplanten Novelle der Verpackungsverordnung, der vorschreibt, daß die Hälfte des Plastikmülls „werkstofflich“ verwertet werden muß.
„Man tut jetzt immer so, als ob die Herstellung von Parkbänken ökologisch geboten sei“, behauptet Brück. Tatsächlich aber sei es oft technisch gar nicht möglich, die verdreckten Materialien zu sinnvollen Produkten zu verarbeiten. „Und außerdem gibt es gar nicht genügend Verwertungsanlagen“, räumt Brück ein.
1994 hat das DKR noch 250.000 Tonnen Kunststoff im Ausland verarbeiten lassen. Ab 1998 will die DKR das außereuropäische Ausland gar nicht mehr mit grünen Punkten beglücken – behauptet sie. Annette Jensen
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