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Gestrüpp im Staatstheater

■ Berlin tritt aus dem Bühnenverein aus? Eine wirkungsvolle Drohgebärde

Eine Ankündigung in der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD sorgte Anfang der Woche für kulturpolitischen Wirbel. Das Land Berlin werde seine Mitgliedschaft im Deutschen Bühnenverein aufkündigen, heißt es da. Begründung: Die Staatstheater könnten nur auf diesem Wege aus der bundesweiten Tarifbindung aussteigen und Haustarifverträge abschließen. Damit werde das Theaterfinanzierungskonzept weitergeführt, das den Bühnen eigenverantwortliches Wirtschaften ermöglichen soll.

Trotzdem kam Protest: Der Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, nannte es unverantwortlich, die Berliner Theater ohne eine Arbeitgebervertretung den Gewerkschaften auszuliefern. Die betroffenen Intendanten der drei Opern, der vier Staatstheater und des Theaters des Westens trafen sich vorgestern zu einer Krisensitzung. Die Strategie des Kultursenats verstehen sie nicht – der Austritt löst ihrer Meinung nach keineswegs die Probleme der Berliner Theaterfinanzierung.

Dazu Mißverständnisse und Ungenauigkeiten: So steht in der Koalitionsvereinbarung, das Land Berlin solle seinen „Tarifvertrag mit dem Deutschen Bühnenverein“ kündigen. Das Land Berlin ist zwar, stellvertretend für seine Staatstheater, Mitglied im Deutschen Bühnenverein, hat jedoch keinesfalls einen „Tarifvertrag“ mit dem Verein abgeschlossen.

Schwer nachzuvollziehen ist auch die rechtliche Begründung für den Austritt, der als „notwendiger Schritt“ zu den angestrebten Haustarifverträgen dargestellt wird. Bühnenverein-Direktor Rolf Bolwin: „Auch wenn ein Theater Mitglied im Deutschen Bühnenverein ist, kann es Haustarifverträge aushandeln – es ist nicht an die bundesweiten Abmachungen gebunden.“ Am Metropol Theater und am Friedrichsstadtpalast sei das bereits erfolgt. In diesem Fall, so Bolwin, biete der Bühnenverein seine Hilfe bei der Erstellung der Verträge an – kostenlose Sachkompetenz, die der Kultursenat im Falle eines Austrittes durch die Einstellung erfahrener Juristen ersetzen müßte.

Dennoch sah sich der ehemalige Kultursenator Ulrich Roloff-Momin vom Bühnenverein bei der Durchsetzung einer „Flexibilisierung und Leistungssteigerung im Personalwesen des Theaters“ allein gelassen. Und sein Referatsleiter für den Bereich Theater, Richard Dahlheim, stöhnt über das unübersichtliche Tarif-Gestrüpp an den Häusern. Der Deutsche Bühnenverein allerdings ist nur für das künstlerische Personal zuständig. Mit den starren Arbeitszeitregelungen der technischen Angestellten – die auch von seiten der Theater gerne lockerer gehandhabt würden – hat er nichts zu tun.

Was die Arbeitszeiten der Künstler angeht, läßt sich kaum größere Flexibilität fordern. Der Deutsche Bühnenverein machte in einem Info zur Tariflage deutlich, daß es keine Begrenzungen der wöchentlichen Arbeitszeit gibt – lediglich einige Soll-Bestimmungen. Jürgen Schitthelm, Schaubühnendirektor und Vorsitzender des Berliner Bühnenvereins: „Mehr Möglichkeiten würden die Theater in keinem Haustarifvertrag aushandeln können. Die staatlichen Häuser können sich außerhalb des Bühnenvereins nur verschlimmbessern.“

Der Bühnenverein weist außerdem darauf hin, daß die bestehenden Tarifverträge mit dem Austritt Berlins nicht automatisch ihre Gültigkeit verlieren würden. Die Regelungen gelten, bis neue Tarifabschlüsse erreicht sind – und das kann dauern, wie die entsprechenden Verhandlungen am Berliner Ensemble gezeigt haben.

Beim angekündigten Austritt aus dem Bühnenverein geht es also weniger um konkrete Veränderungen. Statt dessen ein Gerangel um Einflußnahmen: Kurz nach der Veröffentlichung des Koalitionspapiers hatte der Bühnenverein bekräftigt, sich auch weiterhin nicht gegen Haustarifverträge zu sperren. Roloff-Momin feiert seinen Triumph über den manchmal widerspenstigen Partner: Jetzt sei Schluß mit der „besitzstandswahrenden Interessenvertretung“.

Dazu paßt, daß bisher von der Senatsverwaltung kein Zeitpunkt für den geplanten Austritt zu erfahren war. Die Ankündigung war wohl eher als Drohgebärde gemeint. Falsch formuliert und in einer Koalitionsvereinbarung sicher fehl am Platze – dennoch hat der Plan funktioniert. Trotz Verärgerung auf allen Seiten kommt Bewegung ins Spiel um die Theatertarife. Kolja Mensing

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