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Der Gleichwertigere heißt wieder AC Bavaria

■ Große Frustration bei Schifferstadts Ringern nach Goldbachs achtem Titel

Schifferstadt (taz) – Genau vor 37 Jahren war der VfK Schifferstadt in einem Zirkuszelt erstmals Deutscher Mannschaftsmeister im Ringen geworden. Jetzt zum 100. Bestehen des Vereins erinnerte man sich dieses Datums. Da traf es sich gut, daß der Zirkus Giovanni Althoff termingerecht zu Halbfinale und Finale sein Winterlager auf dem Schifferstadter Festplatz aufschlug. Doch was mit den Messer werfenden „Colorados“ und ein paar albernen Clowns festlich begann, geriet dem Jubilar am Ende zur Trauerfeier: Den Titel holte sich mit einem 12,5:11 wieder der AC Bavaria Goldbach. Angefeuert von fast 1.000 der 3.500 im Zelt schaukelten sich die Erfolgsgewohnten zu ihrer achten Meisterschaft und sind damit zwar hinter Heros Dortmund (10), doch auch in dieser Wertung an Schifferstadt (7) vorbeigezogen.

Dabei sah alles prima aus, nachdem der VfK den Hinkampf nur mit 12:13 verloren hatte. Doch Goldbachs 48kg-Mann Fuat Yildiz gelang bereits zum Auftakt gegen Stefan Gartmann eine 2er-Wertung. Danach lief beim VfK alles wie geplant: Arawat Sabejew hatte sich gegen den ehemaligen Schifferstadter Ludwig Schneider mit drei Punkten durchgesetzt (10:0), Lokalmatador Markus Scherer hatte seine Niederlage gegen Jochen Richter diesmal in Grenzen gehalten (5:12). Auch Andreas Steinbach hielt gegen Olympiasieger Maik Bullmann gut mit und verlor lediglich zwei Punkte. Als Alfred Ter-Mkrtchyan gegen Rifat Yildiz aus einem 2:7-Rückstand zur Pause noch ein 8:7 machte, bebte das Zirkuszelt; die VfK- Trainer Willi Heckmann und Frank Hartmann schöpften Hoffnung. Durch Hans Gstöttners 2er- Wertung gegen den starken Alexander Leipold ging der VfK gar mit 7:6,5 in Führung.

Doch was folgte, war ein vorderpfälzisches Fiasko ohne Sinn für eine gelungene Dramaturgie. Vor den Augen eines der gewichtigsten und unsportlichsten Pfälzer aller Zeiten und seiner sichtlich gelangweilten Ehefrau Hannelore war der ehemalige Armenier Artur Alexanian im Freistil gegen Jürgen Scheibe mit 0:15 chancenlos. Diese vier Federgewichts-Punkte für den AC Goldbach wertete der ehemalige VfK-Trainer Werner Schröter als entscheidend für den Ausgang des Finales. „Das darf in einem Endkampf nicht passieren“, sagte der Mann, der 1990 als Trainer dabei war, als die letzte Meisterschaft in die Pfalz geholt wurde. Schröter sah aber auch in der Auftaktniederlage Stefan Gartmanns einen Grund für die erneute Niederlage des VfK.

Der alte Kämpe Claudio Passarelli hätte mit einem Sieg gegen den Ungarn Janos Takacs noch einmal für Spannung sorgen können. Doch animiert vom lauten Goldbacher Anhang schlug Takacs Passarelli mit 2:1 und machte fast schon alles klar. Zwei 4er- Wertungen hätten die Rot- Schwarzen nun gebraucht, um noch Meister werden zu können, doch ohne Unterstützung von außen konnte der Kraftakt nicht mehr gelingen.

Die Pfälzer Anhänger aber agierten, als hätten sie noch die Rettiche vom letzten gleichnamigen Fest zwischen den Zähnen. So konnten der Russe Islam Dougoutchev und Behcet Selimoglu zwar noch auf 11:12,5 verkürzen, aber Goldbach hatte wie schon 1992, 1993 und 1995 die Nase vorn.

Irgendwann wird dieses Finale denn auch langweilig, auch wenn, wie VfK-Coach Heckmann weiter behauptet, „beide eigentlich gleichwertig sind“. Aber der Sieger heißt eben zu oft Goldbach und fast nie Schifferstadt, und da drängt sich dann der Verdacht auf, als sei Goldbach dann doch etwas gleicher als der VfK. Während dessen Team nun zur Belohnung für den sechsten Titel in Folge in die Karibik darf, stehen die Schifferstadter wieder mit leeren Händen da. Markus Scherer zum Beispiel saß nach Ende des Kampfes noch minutenlang am Mattenrand, heulte hemmungslos und war kaum zu trösten. Das Wort zum Sonntag aus dem Mund des Bundeskanzlers, für den der Kampf mal wieder „eine Werbeveranstaltung für den Ringersport“ war, half auch ihm nicht über den Schmerz hinweg. Auf Dauer sind solche Frustrationen für die geknickten Pfälzer doch kaum auszuhalten. Günter Rohrbacher-List

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