Per Sammeltaxi auf schnellstem Wege in den Himmel

■ Der Zustand der Straßen und der öffentlichen Verkehrsmittel, meist private Sammeltaxis, macht das Reisen in Kenia zum Abenteuer mit ungewissem Ausgang

U-Bahnen gibt es gar nicht, öffentliche Busse viel zu wenige und auch kaum Eisenbahnverbindungen. Das Rückgrat des öffentlichen Transportwesens in Kenia, in den Städten wie auch auf dem Land, sind private Sammeltaxis: die Matatus. Millionen benutzen sie Tag für Tag – und Millionen schimpfen über sie.

Zu Recht. Das Matatu als solches rast im Stau mit aufgeblendeten Scheinwerfern die falsche Straßenseite entlang, schlägt bei Gegenverkehr einen verwegenen Bogen über den Bürgersteig und ist bereits außer Sichtweite, wenn die geschockten Fußgänger noch ihre Knochen zählen. Dann quietschen die Bremsen – ein Passant wurde erspäht, der Fahrgast werden könnte. Sofortiger Stopp möglichst mitten auf der Straße, damit die Konkurrenz nicht überholen und den Kunden wegschnappen kann.

Ist er geködert, dann wird der Ton rüde; zur Stoßzeit lassen sich Passagiere nur noch mit roher Gewalt ins Matatu pressen, dessen Beulen, Abgasschwaden und ächzende Motorgeräusche den Grundsatz von der Vergänglichkeit der Materie in Frage stellen. „There is always room for one more, für einen ist immer noch Platz“, lautet die Devise. Bei Unfällen sind dreißig und mehr Verletzte keine Ausnahme. Gemessen an der Zahl der Autos pro Kopf der Bevölkerung, ist Kenia mit der Zahl seiner Verkehrstoten einer der Spitzenreiter im internationalen Vergleich. Die Matatufahrer kennen ihren Ruf: „Nach Nyeri oder in den Himmel“, ist auf einem der Taxis als Zielort zu lesen.

Ändern läßt sich an all dem gar nichts. Der Bevölkerung bleibt keine Wahl. Die Besitzer der Matatus haben auch nicht allzu viel Spielraum. Benzin und Wartung der Fahrzeuge sind importabhängig und teuer, und die Fahrpreise lassen sich nicht beliebig in die Höhe schrauben. Schon jetzt verschlingt der Tarif von der Innenstadt Nairobis in eines der Wohnviertel mit umgerechnet rund 30 Pfennig etwa ein Fünftel vom Tagesverdienst eines Hilfsarbeiters.

Die Regierung hat immer mal wieder versucht, strengere Sicherheitsvorschriften durchzusetzen. Keine Chance. Sie trifft auf den gut organisierten Widerstand der Matatubesitzer. Und wenn die sich auf einen Streik einigen, dann geht in Kenia gar nichts mehr.

Der Zustand der Straßen macht Autofahrten zum Abenteuer mit ungewissem Ausgang: Schlaglöcher, die tiefen Kratern gleichen, Teerstraßen, die der Regen weggespült hat und die nur noch an kleinen schwarzen Inseln inmitten der verschlammten Fahrspuren als solche zu erkennen sind. Daß eine Straße vor zwei Monaten noch gut gewesen ist, läßt keine Rückschlüsse darauf zu, ob sie heute noch befahrbar ist.

Vor etwas mehr als einem Jahr mußten das ausgerechnet zur Weihnachtszeit Autofahrer auf der Schnellstraße zwischen Nairobi und Mombasa erfahren. Regengüsse und Schwertransporter hatten eine der Hauptverkehrsadern des Landes über eine Strecke von rund 30 Kilometern in einen Acker verwandelt. Zwei Lastwagen standen quer – und das war's dann auch schon.

Damals war selbst die oft unendlich scheinende Geduld der Kenianer erschöpft. Der Aufschrei in den Medien erreichte eine Vehemenz, die bewirkte, daß die Straße innerhalb von kaum zwei Wochen wenigstens notdürftig repariert wurde. Die Straßen müßten so schlecht nicht sein. Aber wenn der Bauunternehmer eine hohe „Provision“ zahlen muß, um den Auftrag zu bekommen, dann wird eben die Asphaltdecke ein bißchen dünner als im Vertrag festgelegt. Im Interesse derer, die diese Praxis ändern könnten, liegt es nicht, sie zu ändern. Nur in dem der Bevölkerung.

Den Kenianern bleibt dennoch ein Trost: Wenigstens in die Heimatregion ihres Präsidenten führt eine vorzüglich ausgebaute, wenn auch wenig befahrene Straße. Und in anderen Ländern der Region – Uganda, Tansania, Sudan, Zaire – sieht es noch weit schlimmer aus. Bettina Gaus, Nairobi