: Im Hotel wär's günstiger
■ 60 Mark Monatsmiete pro Quadratmeter: Dafür darf ein Umschüler neben dem Bett kochen und fürs Duschen eine Mark zahlen Von Heike Haarhoff
Schlitzohrige Vermieter, dreiste Wucherpreise, winzige Wohnklos: Mieter-Anwalt Ernst Medecke ist an haarsträubende Fälle gewöhnt. „Aber 60 Mark Miete pro Quadratmeter“, wie sie der Vermieter Hans-Jürgen F. für schmuddelige, möblierte Hinterhaus-Löcher in der Winsener Straße 44 in Harburg abkassiert, „das habe ich noch nie gehabt“. Neben der zivilrechtlichen Klage wegen 400prozentiger Mietüberhöhung wird der Anwalt deshalb auch Strafanzeige wegen Mietwucher gegen den Vermieter erstatten. Denn: „Dafür kann man ja fast ins Hotel gehen.“
Mieter Thomas F. konnte das leider nicht: Der damals arbeits- und wohnungslose Maler-Umschüler war ziemlich froh, als er im vergangenen September über eine Zeitungsannonce das möblierte Zimmer in der Winsener Straße fand. „Aus der Not heraus“ habe er die acht Quadratmeter große Zelle genommen. Per Mietvertrag verpflichtete sich der 24jährige, für die Bruchbude 480 Mark monatlich plus 30 Mark Nebenkosten zu bezahlen und zugleich jeglichem Komfort zu entsagen: In Ermangelung einer Küche kocht Thomas F. sein Süppchen auf zwei Herdplatten direkt neben dem Bett. Dasselbe Leid eint auch die übrigen MieterInnen der ersten Etage des augenscheinlich baufälligen Hauses: Zu sechst teilen sie sich ein unbeheiztes Duschklo – drei Minuten warmes Wasser für nur eine Mark.
Der Flur ist nicht nur gammelig, sondern auch feucht bis schimmelig, Tapeten blättern von den Wänden. Eine eher unwirtliche Baustelle. „Ich habe mich schon gewundert, daß sich die anderen Mieter nicht gegen die Preise gewehrt haben, aber da kann man wohl nichts machen“, sagt Thomas F., der sich schließlich – unterstützt von seinem Lehrer – doch traute, zum Anwalt zu gehen. „Man ist ja froh, überhaupt etwas gefunden zu haben“, sagt eine andere Mieterin.
Genau diese Angst vor der erneuten Wohnungslosigkeit nutzt Vermieter F. offenbar schamlos aus: Er wisse „gar nicht genau, wie groß das Zimmer eigentlich ist“, mimt F. den Naiven. Den angemessenen Mietpreis müsse er „mal nachrechnen“. Wenn der „überhöht ist, kriegt der Mieter sein Geld selbstverständlich zurück.“ Aber am einfachsten wäre es doch gewesen, macht der dreiste Vermieter auf väterlich-verständnisvoll, „wenn der Herr F. mal bei mir vorbeigekommen wäre“. Immerhin sei das Zimmer ja auch möbliert. Das stimmt: Ein klappriger Mahagoni-Kleiderschrank und andere schrottreife Gestelle, wie man sie besser dem Sperrmüll anvertrauen möchte, verunstalten den kleinen Raum.
Dem bezirklichen Amt für Wohnraumschutz und Mietpreisangelegenheiten ist der Fall „Winsener Straße 44“ nicht bekannt: „Wir werden nur tätig, wenn Mieter sich an uns wenden“, erklärt die Sachbearbeiterin. Und bei möblierten Zimmern sei das „ganz schwierig“, weil für die der Mietenspiegel nicht gelte.
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