: Den Doktortitel nie vergessen
■ In dem Seminar „KünstlerIn als Beruf“ werden Bremer KunststudentInnen von einem Consulter berufstauglich gemacht / Eine Ausstellung in der GAK
Der Mann hat Entertainerqualitäten. Alexander Baier liebt den angelsächsischen Humor. Und den Erfolg. Gern gibt der 60jährige seinen Lebenslauf zum besten: Banklehre, Jurist, Galerist in Mainz, Herausgeber und Verleger des „Kunstmagazins“. Derzeit Kulturamtsleiter der Stadt Salzgitter und dort wiederum Leiter des Städtischen Museums Schloß Salder. Ein Mann für Bremen, hatte sich Jürgen Waller, Chef der Bremer Hochschule der Künste, gedacht. Baier wurde vor drei Jahren eingekauft, um die Bremer KunststudentInnen berufstauglich zu machen. In der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) stellten die Baier-SchülerInnen am vergangenen Sonntag unter Beweis, daß sie auch ausstellungstauglich sind.
Aber sind die zehn Baier-Zöglinge damit schon fit für den Beruf? „Wir können jetzt wenigstens bewerten, was Galeristen tun“, sagt Studentin Helga von Häfen, die in der GAK mit aufwendigen Skulpturen aus Fahrradschläuchen und Samtschlingen vertreten war. „Wenn wir das immer alles selbst organisieren würden, hätten wir keine Zeit mehr zum Arbeiten.“ Das Verständnis für Galeristen sei gewachsen.
Dieses Verständis hatte Baier, der mit Tweedjacket, blauem Oberhemd, Karoschlips und Kurzhaarschnitt so recht wie ein Manager aussieht, im Sommer- und Wintersemester bewußt gefördert. Viel zu viele KünstlerInnen würden sich blindlings bewerben, so Baier, ohne die geringste Ahnung von den Interessen der Galerie zu haben. Dabei seien Galeristen „schwierige Individuen“ und gerade Galerien Orte, in denen die jungen KünstlerInnen bekannt würden und verkaufen könnten. Um den Nachwuchs lebensfähig zu machen, hilft der Mann aus Salzgitter deshalb in Sachen Eigen-PR. Schließlich seien Leute wie Christo und Keith Haring auch Marketingkünstler gewesen.
GaleristInnen wurden in die Hochschule Am Wandrahm geladen, um den Nachwuchs über Ausstellungsbedingungen aufzuklären. Zum gleichen Zweck besuchten und befragten die Baier-Leute vor Ort Hamburger GaleristInnen und Aussteller auf der Verkaufsmesse Art Cologne. Nur die Bremer Institutionen hatte der Dozent bewußt ausgeklammert. „Wenn ich das auch noch machen würden“, winkt er ab, „wäre das ja, als ob ich die Hunde zum Jagen tragen würde.“
Zwischen Galerie und Künstler gebe es nunmal selten Liebe auf den ersten Blick, erklärt Consulter Baier plakativ. Deswegen seine Empfehlung: „Eröffnungen besuchen, mit Künstlerkollegen reden, Sammelthemen aufbauen, sich sehen lassen usw.“
Dem Delmenhorster Herwig Gillerke hat das Galerie-Training jedenfalls etwas gebracht. Der Schaefer-Schüler, der in der GAK mit einer Fantasieballustrade aus violetten Federn vertreten war, hat über das Seminar einen Berliner Galeristen kennengelernt. Und dieser Draht könnte vielleicht irgendwann in einer Ausstellung mit echten Gillerkes münden.
In seinem Seminar einmal die Woche scheut der Existenzgründungsprofi aus Salzgitter nicht vor Banalem zurück. Selbst das kleine Einmaleins des Bewerbungschreibens wird seinen SchülerInnen eingetrichtert. Im Anschreiben seien Namen korrekt zu schreiben. Niemals dürfe der Doktortitel fehlen. Empfehlungen von Künstlern seien nützlich und so weiter.
Studentin Helga von Häfen hat das Gespräche mit GaleristInnen etwas gebracht: „Mit der Mappe unterm Arm in einer Galerie vorbeizuschauen, hat überhaupt keinen Sinn.“ Und Rosa Steinbrenner, die in der GAK die aufwendige Video-Installation „Zwei Zuviel“ präsentierte, weiß jetzt: „Videokunst ist verdammt schwer zu verkaufen.“
Entscheidend war für die zehn KunststudentInnen zudem der Ausstellungstest in der GAK. Ein knappes Jahr hatten sie sich bis zu dreimal die Woche getroffen und die Köpfe heißgeredet. Ausstellungsräume wurden vermessen, Einladungen entworfen, die Verteiler von GAK und Städtischer Galerie im Buntentor angezapft. „Nicht zu vergessen das Fundraising“, ergänzt Allround-Consulter Baier. 50 Sponsoren seien angeschrieben worden. 12.000 DM kamen für Ausstellung und Katalog. Ein erster Erfolg für die StudentInnen, die jetzt hoffen, daß irgend jemand die Gemeinschaftsausstellung übernimmt.
Denn was die zehn für einen einzigen Tag in den hellen Räumen auf der Teerhofinsel inszeniert hatten, war anspruchsvoll. Auf dem Estrichboden wurden Tonschiffe nach der Strömung der Weser ausgerichtet. In einem Kabinett lief nonstop das Drama der Ophelia in einer Objekt- und Videoinstallation. Dazwischen Kunst mit Neonschrift und entfremdete Comics, eine mit Kaffeehausmusik präparierte Kommode und asketische Keramikobjekte.
Etwas mühsam sei Baiers Berufstraining gelegentlich schon gewesen, räumen die StudentInnen ein. Etwa, wenn es um Dinge wie Altersversorgung, Öffentlichskeitsarbeit, Versicherungen, Fördermittel und Urheberrecht ginge. Gerade deswegen ist Waller von seiner Seminaridee überzeugt: „Ein Tischler geht ja schließlich auch einmal in der Woche in die Berufsschule. Dadurch wird der Tischler nicht besser, aber lebensfähiger auf dem Markt.“
Daß seine Idee Schule machen wird, steht für den Hochschulchef fest. „Alle Kunsthochschulen in der Bundesrepublik wollen die Seminaridee übernehmen“, behauptet er. Weil aber nicht alle Leute so kompetent wie Herr Baier seien, werde demnächst für die anderen Hochschulen eine CD Rom erstellt.
Sabine Komm
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