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■ Das PortraitDie „Kindsbraut“

Nun muß sie doch nicht ins Heim. Ein englisches Gericht entschied vorgestern in einem neuen Urteil, daß Sarah Cook bei ihren Eltern bleiben darf – falls sie überhaupt nach England zurückkehrt. Zur Zeit lebt die 13jährige in der osttürkischen Stadt Kahramanmaraș, und dort will sie auch bleiben. Sie wohnt bei der Familie ihres „Ehemannes“, den sie vor zwei Wochen kirchlich geheiratet hat. Die Ehe wird vom Staat allerdings nicht anerkannt, und weil die „Child Bride“ – die „Kindsbraut“ – in Großbritannien soviel Aufsehen erregt hat, beschlossen die türkischen Behörden, den Ehemann wegen Vergewaltigung einzusperren. Ihm drohen fünf Jahre Haft.

Sarah Cook, 13 Jahre, verheiratet Foto: taz-Archiv

Begonnen hat alles im vorigen September, als Familie Cook in der Türkei Urlaub machte. Die damals zwölfjährige Sarah lernte den sechs Jahre älteren Kellner Musa Komeagac kennen und verliebte sich in ihn. In den Herbstferien reiste sie erneut nach Kahramanmaraș, mit ihrer Mutter Jackie Cook. Als diese allein nach England zurückkehrte, verständigte die Schule das Jugendamt.

Die Cooks stammen aus Braintree, einem kleinen Marktflecken in der südostenglischen Grafschaft Essex. Sarah Cook besuchte die Tabor High School. „Alle waren gemein zu ihr, weil sie fett war und rote Haare hatte“, erzählt ihre Schulfreundin Natalie Webb. „Häßliches Entlein wird in der Türkei zum Schwan“, titelte der Observer.

Die BewohnerInnen Braintrees sind von dem Medienrummel wenig begeistert. Man legt Wert darauf, sich von den Eltern zu distanzieren, damit niemand auf die Idee kommt, daß es in Braintree gang und gäbe sei, minderjährige Töchter zu verkuppeln.

„Wir sollen 15 Kamele für Sarah bekommen haben“, empört sich Mutter Jackie Cook über Presseberichte, „das ist völliger Unsinn.“ Stimmt. Das Boulevardblatt Sun hat in landesüblicher Währung für die Geschichte bezahlt: 20.000 Pfund Sterling.

Im türkischen Kahramanmaraș versteht man die Aufregung nicht. Die DorfbewohnerInnen haben die 13jährige mit Geschenken überhäuft, und Bürgermeister Ali Sezal versprach dem Paar eine Villa, wenn Komeagac aus dem Gefängnis kommt. Am Montag küßte Sarah Cook vor surrenden Kameras den Koran. Sie will in den Hungerstreik treten, falls man sie nach Hause schickt. Für eine Deportation gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage. Ralf Sotscheck

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