: Machtkampf ägyptisch
■ Islamistische Treuhänder sollen islamistische Anwälte kontrollieren
Kairo (taz) – Ägyptens islamistische Opposition hat einen weiteren Schlag erlitten. Anfang der Woche wurden die Geschäfte des Anwaltsvereins per Gerichtsbeschluß drei von dem Richter ernannten Treuhändern übergeben. Der Verband galt bisher als eine der einflußreichen Institutionen in den Händen der Muslimbrüder.
Im September 1992 hatte eine islamistische Mehrheit in der Vollversammlung der Anwälte einen neuen Aufsichtsrat gewählt. Generalsekretär wurde Seif Islam al- Banna, Sohn des Gründers der Muslimbrüder, Hassan al-Banna. Anwälte der Regierung warfen dem neuen Aufsichtsrat mehrfach finanzielle Unregelmäßigkeiten vor. Im vergangenen Jahr gingen sie vor Gericht. Nun haben sie recht bekommen – allerdings ohne daß sich das Gericht im Detail mit den Vorwürfen der falsch geführten Finanzen auseinandergesetzt hätte.
Die Einsetzung der Treuhänder ist einer von vielen Hieben der Regierung gegen die Muslimbrüder. Letztes Jahr wurde bereits der ebenfalls von den Muslimbrüdern kontrollierte Ingenieursverband einem Treuhänder übergeben. Ende des Jahres wurden Hunderte Muslimbrüder festgenommen, Dutzende von ihnen durch Militärgerichte zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Kurz vor den Parlamentswahlen im November wurden die Büros der Muslimbrüder zwangsweise geschlossen.
Als „einen aggressiven Akt gegen die Freiheit der Berufsgenossenschaften“ bezeichnete der Generalsekretär des Anwaltsvereins, al-Banna, die neueste Treuhandlösung. „Sollte es Fehler in der Finanzverwaltung gegeben haben, dann ist dafür der Aufsichtsrat zuständig. Wenn er die Probleme nicht löst, kann ihm die Vollversammlung das Vertrauen entziehen“, beschrieb er das eigentlich übliche Szenario.
Für Verwunderung sorgt allerdings, wen das Gericht als Treuhänder ausgesucht hat. Zwei der drei Treuhänder sind bekannte Islamisten. Einer von ihnen, Selim al-Awa hatte als Anwalt des Aufsichtsrates des Anwaltsvereins sogar vor Gericht versucht, die Treuhandlösung zu verhindern. „Ich bin gegen die Treuhandlösung“, sagte er dann auch gegenüber der taz und wunderte sich über seine Ernennung. Magdi Hilmi, Redakteur der Oppositionszeitung al- Wafd, hat eine eigene Erklärung: „Das Gericht wollte weder die Regierung noch die Islamisten verärgern.“ So sei es zu der typisch ägyptischen Lösung gekommen, den Islamisten Islamisten vor die Nase zu setzen. Karim El-Gawhary
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