: Erster Test für Scargill
■ Linke Abspaltung der Labour Party tritt bei Nachwahl in Großbritannien an
Dublin (taz) – Heute geht es für die Partei bereits ums Überleben, obwohl das offizielle Gründungsfest erst am Maifeiertag stattfinden soll: Die Socialist Labour Party (SLP), die gerade vom Bergarbeiterchef Arthur Scargill geründet worden ist, hat für die Nachwahl im nordenglischen Hemsworth eine Kandidatin aufgestellt. Wenn sie in diesem Kohlerevier schlecht abschneidet, dann sieht es für ihre Chancen im Rest des Landes düster aus.
Scargill ist der berühmteste britische Gewerkschaftsboß. Mehr als 30 Jahre war er einfaches Mitglied in der Labour Party gewesen, aber „New Labour“, wie Tony Blair seine reformierte Partei nennt, ist ihm zu weit nach rechts gerückt. Die neue SLP werde für die alten Werte eintreten: für den kostenlosen Gesundheitsdienst sowie gegen Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. Scargill warf Blair vor, den Sozialismus in der Labour Party so gründlich zerstört zu haben, wie es nicht einmal Margaret Thatcher geschafft habe: „Sie haben nicht nur den Sozialismus aus der Parteisatzung gestrichen, sondern sich darüber hinaus dem Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft in die Arme geworfen“, schrieb Scargill im Guardian. „Mit anderen Worten: Labour gibt nicht einmal mehr vor, eine sozialistische Partei zu sein.“
Zur Parteigründung rief er „alle Sozialisten innerhalb und außerhalb des Parlaments“ auf, seiner neuen Partei beizutreten. Der trotzkistische „Militant“-Flügel, den Neil Kinnock in den achtziger Jahren aus der Labour Party geworfen hatte, gehört freilich nicht dazu. Den will auch Scargill nicht in seiner Partei, und so ist die britische Linke schon vor dem SLP- Gründungsfest gespalten.
Von der alten Labour Party hat er keine großen Namen abwerben können. Sämtliche Abgeordneten und Gewerkschaftsführer haben ihm eine Absage erteilt. Besonders hat ihn die Kritik von Ken Livingstone getroffen. „Er hat nur eine kleine Gruppe von Unterstützern, und in den meisten Fällen sind es Knallköpfe“, sagte der „rote Ken“, der in den achtziger Jahren noch Seite an Seite mit Scargill gegen den Thatcherismus kämpfte – und verlor: Zuerst zwang die „Eiserne Lady“ die Bergarbeiter beim Streik 1984 in die Knie, und dann löste sie Livingstones Rat von Groß-London auf, weil er ihr zu links war.
Tony Blair ist froh, daß er den Veteran des Klassenkampfes los ist. Er machte keinen Versuch, Scargill zu halten. Die SLP hofft nun, in anderthalb Jahren 5.000 Parteimitglieder zu haben. Der erste Test bei der Nachwahl ist deshalb besonders wichtig. Hemsworth ist ein traditioneller Labour- Wahlkreis, in dem die Tories noch nie eine Chance hatten. Scargills Kandidatin Brenda Nixon, die Frau eines Bergarbeiters, will der Labour Party heute zumindest einen Schrecken einjagen. Ralf Sotscheck
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