: „Effektive Demokratisierung“
■ betr.: „Die kurzsichtige Politik des Westens“, taz vom 22. 1. 96
Liebe Bettina Gaus, mit Interesse habe ich Ihren Kommentar zum Besuch des Bundespräsidenten und den Problemen der Demokratisierung in Afrika gelesen. Ich teile viele Ihrer Einschätzungen und Argumente; in einigen Punkten, vor allem in der in der Überschrift zum Ausdruck kommenden Schlußfolgerung („der Bundespräsident besucht die falschen Länder“) aber bin ich anderer Meinung. Der Bundespräsident besucht zumindest mit Uganda ein Land, in dem in verschiedener Hinsicht vor allem im Bereich Demokratisierung und Aufbau demokratischer Institutionen erhebliche Anstrengungen unternommen werden und Erfolge zu verzeichnen sind. Das ist neben vielen anderen Faktoren offensichtlich auch der Integrität und dem Engagement Präsident Musevenis zu verdanken. Die Bundesrepublik und die Geber aber haben meines Erachtens nicht diese „handelnde Person“ (geschweige denn seine Rebellenführervergangenheit) gewürdigt, sondern vor allem die effektiven Fortschritte, die ich in anderen Ländern (auch solchen, „die in den letzten Jahren ihre Demokratisierung zu einem Schwerpunkt ihrer Politik gemacht haben“) vermisse.
Die „Demokratisierung zu einem Schwerpunkt der Politik zu machen“ reicht eben nicht aus (wie man am Beispiel Benins sehen kann). Worauf es meines Erachtens ankommt, ist „effektive Demokratisierung“, und die meine ich in Uganda tatsächlich feststellen zu können. Damit meine ich nicht „gütige Diktatoren“, sondern ganz im Gegenteil, die Bereitschaft, mit politischen „Gegnern“ nach demokratischen Spielregeln um das Vertrauen und das Mandat der Bevölkerung zu konkurrieren. Meines Erachtens geht genau dies in Uganda seit der Regierungsübernahme des NRM (in einem langsamen und sicherlich in vielerlei Hinsicht verbesserungsfähigem Prozeß) vor sich. Bei meinen Aufenthalten in Uganda habe ich den Eindruck gewonnen, daß die von Ihnen kritisierte hierarchische Struktur durch beeindruckende Maßnahmen abgebaut und der Gestaltung und Kontrolle der Bevölkerung übergeben wird, das heißt immer weniger auf den Präsidenten zugeschnitten ist. Lassen Sie mich auch noch anmerken, daß Oppositionsparteien in Uganda nicht verboten sind, wohl aber in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.
Entsprechend halte ich es für einen großen Fortschritt, daß der Bundespräsident und das Auswärtige Amt zumindest in diesem Fall weniger auf formale („Demokratisierung Afrikas nach westlichem Muster“) als auf tatsächliche Demokratisierung geachtet haben und dabei sogar bereit gewesen sind, ideologische Barrieren zu überwinden. Hildegard Lingnau, Berlin
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