: Meditationsräume in Seide
Erfahrungskonserve, Erinnerunsfalle: Die Galerie Gebauer und Günther zeigt „Brennendes K“, eine Installation in Wartestellung von dem in Paris lebenden armenischen Künstler Sarkis ■ Von Michael Nungesser
Erst vor wenigen Wochen endete eine große Ausstellung, die die Bonner Kunsthalle dem seit 1964 in Paris lebenden armenischen Künstler Sarkis eingerichtet hatte. Die unter dem Titel „26. 9. 19380“ ausgebreiteten Rauminszenierungen, die einer imaginären Lebens-Zeitreise glichen, veranlaßten einen Kunstkritiker zu dem skeptischen Vergleich mit einem „metaphysischen Rummelplatz“.
Nichts davon spürt man nun in der konzentrierten Ausstellung der Galerie Gebauer und Günther. „Brennendes K“ nennt Sarkis – der bereits in den siebziger Jahren als DAAD-Stipendiat in Berlin gearbeitet hatte – seine auf drei nebeneinander gelegene und durch Türöffnungen verbundene Räume verteilte Installation. Auf dem Boden liegen große, sich vielfach wellende Seidentücher, eines in warmem Rot, die beiden anderen in kühlem Grün; Sarkis vergleicht sie mit aufeinandertreffenden Ozeanen. Jeweils zur Straßenseite der Räume hin erhebt sich aus den Stoffbahnen ein an einen Videorecorder angeschlossenes Fernsehgerät. Auf jedem von ihnen sieht man die Hand des Künstlers beim Aquarellieren.
Man kann alle drei Räume vom Gang her einsehen und überblicken. Man kann, ja man soll sie auch betreten, nachdem man die Schuhe ausgezogen hat. Sarkis möchte nicht, daß „meine Installationen nur besichtigt werden; ich möchte, daß man sich damit auseinandersetzt, daß man einen Moment dort bleibt, daß man selbst dort arbeitet.“
Die Distanz, die man gewöhnlich zur Kunst hat, eine Distanz wie im Theater zwischen Bühne und Sitzen, soll aufgehoben werden. Zugleich wird der Ort zu einem sich wandelnden Lichtraum. Je nach Intensität und Stärke der aus Tageslicht und dem Schein des Bildschirms gemischten und vom glänzenden Satinbelag reflektierten Farbtöne und -schattierungen ergibt sich eine andere Atmosphäre. Auch die drei Videofilme, obgleich sie einen in sich abgeschlossenen und sich wiederholenden Vorgang zeigen, stellen kein fertiges, in sich stimmiges und eindeutiges Kunstprodukt dar. Sie thematisieren gleichsam die Entstehung eines Bildes sowie seine physischen Voraussetzungen, von der Bleistiftvorzeichung zur rotflammenden Wasserfarbenskizze, das Fixieren einer Erinnerung, das immer wieder neu versucht wird, da auch die verrinnende Zeit nach neuer Bewältigung verlangt. Die Spannung erwächst aus den Gegensätzen der Farben, von Feuer und Wasser, von menschlichem Glied und elektronischem Gerät, von Leere des Raums und Fülle der Erwartung.
In einem Video zeichnet und malt die Hand die Isometrie eines Raumes – das Atelier des (anonym bleibenden) Künstlers. Im nächsten werden die Umrisse einer Hand dargestellt – als Körperwerkzeug Synonym des Schöpferischen schlechthin – und im letzten ein „K“, das zwischen Vorhängen wie auf einer Bühne erscheint. Dieses „K“ wirkt geheimnisvoll, und man könnte „Konstantinopel“ denken, wenn man vom Geburtsort des Künstlers, Istanbul, weiß, aber auch anderes – nicht zuletzt „Kunst“ oder „Konzeption“.
Kennt man ein wenig Sarkis' Werkentwicklung, erklärt sich „K“ als „Kriegsschatz“, eine von ihm kontinuierlich verwendete Metapher. Kunst ist immer auch Beutekunst, zumal wenn sie aus ihrem Entstehungskontext herausgelöst und ins Museum versetzt wird: Erinnerungsfalle, Erfahrungskonserve, Rückstände eines Vergangenen und Durchlebten. So versteht sich Sarkis' Installation als eben dieses offene, lediglich einen Rahmen bildende Werk „in Wartestellung“, das erst durch den mitwirkenden Zuschauer zum Erlebnisraum wird. Die Kunst verwandelt sich – wenigstens auf Zeit – in einen dem Sakralen verwandten Meditationsraum.
Bis 24. 2., Galerie Gebauer und Günther, Torstraße 20, Mitte
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