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■ Wer darf Kriegsverbrecher in Bosnien verhaften?Nürnberg und Den Haag

Die bosnischen Verfolgungsorgane haben insgesamt elf bosnisch-serbische Militärs unter dem Verdacht festgenommen, in Kriegsverbrechen verwickelt zu sein. Die Kritik an dieser Aktion im Nato-Milieu ist ebenso unberechtigt wie heuchlerisch.

Bosnien-Herzegowina, immer noch ein souveräner Staat, hat sein Recht auf Strafverfolgung nicht an den Internationalen Gerichtshof zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien abgetreten. Die bosnischen Behörden haben sich dennoch bereit erklärt, auch in diesem Fall die Jurisdiktion des Haager Gerichts anzuerkennen. Aber nicht diese rechtlichen Gesichtspunkte sind entscheidend, sondern die Tatsache, daß weit und breit keine internationale Verfolgungsbehörde in Sicht ist, die auch nur die Haftbefehle des Haager Anklägers Goldstone vollstrecken würde. Die Polizeikräfte der UNO haben nur beratende Funktion. Und die Streitmacht Ifor beschränkt sich darauf, zu warten, ob vielleicht einer der Angeklagten sich in eine ihrer Garnisonen bequemt. Mit den Worten des amerikanischen Diplomaten John Shattuck: „Die Nato-Truppen werden jeden Kriegsverbrecher festhalten, der ihnen in die Hände fällt. Aber es gehört nicht zu ihren Aufgaben, Verdächtige zu jagen und zu fangen.“

Die Gründe für diese Zurückhaltung liegen auf der Hand. Das Dayton-Abkommen wäre hinfällig, würde konsequent ermittelt und verfolgt werden. Denn zu seinen Unterzeichnern gehört Slobodan Milošević, der nach Aussagen ehemaliger Kampfgefährten zahlreicher Kriegsverbrechen verdächtig ist.

Es sind genau entgegengesetzte Konstruktionsschwierigkeiten, in denen sich das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal von seinem Nachfahren, dem Exjugoslawien-Tribunal, unterscheidet. Bei den Nürnberger Prozessen war die Rechtsgrundlage ebenso strittig wie die anzuwendenden Straftatbestände. Dafür war die Frage, wer angeklagt werden und wie man sich der Angeklagten bemächtigen soll, problemlos. Im Gegensatz zu den Nürnberger Prozessen sind Statut wie anzuwendendes Recht beim Den Haager Tribunal unstrittig, hingegen ist der verantwortliche Täterkreis ebenso unklar wie die Frage, wer eigentlich die Angeklagten dingfest machen soll.

Die Großen laufenlassen, um die Kleinen hängen zu können? Das ist, so steht zu befürchten, die Maxime, nach der die internationale humanitäre Strafgerichtsbarkeit verfahren wird, um sich überhaupt zu erhalten. Aber was wäre dann – gemessen am Urteil von Nürnberg – ihr Nutzen? Christian Semler

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