: "Mehr als Imagetransfer"
■ Klaus Staeck versteht Sponsoring als ein gegenseitiges Einverständnis zwischen Kultur und Wirtschaft. Damit es so bleiben kann, fordert er einen "Ethos"-Katalog
taz: Warum war aus Ihrer Sicht die „Düsseldorfer Erklärung“ nötig, in der sich Künstler zum Thema Sponsoring äußern?
Klaus Staeck: Der Begriff „Sponsoring“ wird ganz unterschiedlich ausgelegt. In vielen Bereichen gibt es kaum Anlaß zum Klagen; es besteht aber die Gefahr, daß sich die öffentliche Hand im Kulturbereich mit dem Hinweis auf vermeintlich leere Kassen immer mehr zurückzieht und so eine Lücke entsteht für Sponsoren, die durchaus nicht immer nur die lautersten Absichten haben müssen. Sponsoring ist auf Gegenseitigkeit angelegt, das ist auch das Ehrliche daran. Unser Aufruf richtet sich nicht generell gegen das Sponsoring, aber gegen die Möglichkeit der einseitigen Einflußnahme durch Sponsoren. Schließlich wird zur Zeit eine monströse Debatte über gerade einmal drei bis fünf Prozent der Kulturausgaben geführt. Mehr kommt gar nicht von privaten Sponsoren.
Im Zusammenhang mit der „Düsseldorfer Erklärung“ haben Sie einen Ethos-Katalog für Kultursponsoring gefordert. Was sollte er beinhalten?
Ein solcher „Katalog“ könnte den Beteiligten eine Orientierungshilfe im Umgang mit den verschiedenen Formen von Sponsoring bieten. Die Kunst hat ja eine Sonderstellung und erhebt den Anspruch, autonom in der Gesellschaft zu agieren. Es geht um die Grenzziehung. Solange die Kunst im Zentrum bleibt, ist wenig einzuwenden. Verkommt sie dagegen zur reinen Produktdekoration, verzichtet man besser.
Wer könnte einen solchen Katalog aufstellen?
Das können nur alle Beteiligten gemeinsam versuchen: Leute, die sich als Sponsor „bewährt“ haben und auf die niemand verzichten will, mit der Politik, mit den Künstlern und natürlich mit den entsprechenden Kulturinstituten. Deren Klagen hören wir ja seit Jahren, und sie nehmen zu. Auf der anderen Seite ist die Begehrlichkeit der Wirtschaft gewachsen, über die Kunst zu einem billigen Imagetransfer zu kommen. Dann gibt es das Gerede von den leeren öffentlichen Kassen und die in vielen Städten durch sozialpolitisch bedingte Verschiebungen tatsächlich leeren Kassen.
Öffentlich wird ja über die dramatische Verschiebung der allgemeinen Vermögensverhältnisse in der Bundesrepublik kaum mehr diskutiert. Wir gehen von einer schicksalshaft sich vergrößernden öffentlichen Armut aus, als müsse das immer so bleiben. Dabei ist in der Gesellschaft nach wie vor Geld in Hülle und Fülle da. Die Schere geht nur immer weiter auseinander, auch weil für gigantische Vermögen ständig weniger Steuern gezahlt werden. Das Geld muß sinnvoller verteilt werden. Wer sonst als die Kultur kann eine Debatte darüber anstoßen? Unser nach wie vor im weltweiten Vergleich hervorragendes Kultursystem ist auch eine der Grundlagen für unsere Demokratie – und kein Luxus, auf den man nach Belieben verzichten kann, wenn es mal etwas enger wird.
Müssen denn alle bislang öffentlich geförderten Kulturaufgaben beibehalten werden?
Daß man generell über Kulturförderung immer wieder neu reden muß, ist selbstverständlich. Über Steuergelder muß jeder Rechenschaft ablegen. So gibt es sicher manches kulturelle Refugium, über dessen öffentliche Förderung man ebenso diskutieren sollte wie über die Suche nach alternativen Geldquellen. Die Frage ist nur, ob künftig ein Museumsdirektor nach seinen kunsthistorischen Fähigkeiten oder nach der Fähigkeit eingestellt wird, Geld herbeizuschaffen.
Im „Darmstädter Manifest“, das bereits im vergangenen Herbst von Kulturschaffenden verfaßt wurde, die zum Teil eng mit Sponsoren zusammenarbeiten, wird von den Initiatoren die steuerpolitische Gleichsetzung der Kultur- mit Sportförderung gefordert. Damit soll künftig das Kunstsponsoring auch dann steuerlich absetzbar sein, wenn es keine unmittelbare Auswirkung auf die Geschäftsentwicklung der beteiligten Unternehmen hat.
Das ist der Ansatz von Jean- Christophe Amman in Frankfurt. Er sagt: „Ihr könnt alle reden, was ihr wollt. Wenn ich keinen Pfennig mehr als Ausstellungs- oder Ankaufsetat zur Verfügung habe, dann bin ich gezwungen, mich nach Sponsoren umzusehen. Deshalb will ich sehen, wie ich für den Sponsor Anreize schaffe.“ Und da kommt dann jeder auf kaum etwas anderes als steuerliche Anreize. Aber gerade das ist ja das Absurde: Wer sich gerade noch beklagt hat, daß die Steuermittel nicht mehr ausreichen, um die Kultur ausreichend zu finanzieren, ruft plötzlich nach Steuererleichterungen für andere, damit Geld für die Kultur fließen kann. Meiner Meinung nach ist das die generelle Aufhebung unseres Staatsverständnisses. Wir bekämen so eine Nischenwirtschaft, denn morgen könnten Verfechter von Sozialsponsoring, Umweltsponsoring oder gar Straßensponsoring auf die gleichen Vergünstigungen pochen. Die Verteilungsfunktion des Staates, mit der wir doch gar nicht so schlecht gefahren sind, würde dadurch zugunsten einer Klientelwirtschaft aus den Angeln gehoben. Jeder gibt seine Steuern nur noch für das, was ihn interessiert oder betrifft. Das kann meiner Meinung nach nicht die Lösung sein. Auch deshalb halte ich das „Darmstädter Manifest“ für defensiv.
Wie geht es weiter?
Wir versuchen jetzt, alle Beteiligten ins Gespräch zu bringen, und wollen damit bei der Politik anfangen. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Clement hat sich dazu schon bereit erklärt; auch der Finanzminister aus Hessen hat mir schon ein Papier zum Thema zugefaxt. Wichtig ist mir dabei der konstruktive Ansatz, denn die „Düsseldorfer Erklärung“ ist offenbar von einigen fälschlicherweise als genereller Angriff gegen das Sponsoring verstanden worden. Man kann also offenbar nicht mehr vor bestimmten Gefahren warnen, ohne gleich zum Gegner der ganzen Sache gemacht zu werden. Interview Stefan Koldehoff
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