: „Ich will in kein Nobel-Hotel“
■ Seefahrer-Altenheim: Bewohner will mit Hungerstreik Schließung verhindern / Sozialsenatorin sieht keinen Ausweg / SPD-Mitte aber doch Von Kaija Kutter
Eine ungute Zuspitzung erfuhr am Wochenende der Konflikt um die Schließung des Seefahrer-Altenheims in der Neustadt. Der 70jährige Rolfheinz Peters will nicht mehr essen. Er sei seit Samstag im Hungerstreik, berichtete er der taz. Ein Auszug aus der intakten Gemeinschaft an der Karpfangerstraße sei für ihn keine Alternative.
Wie berichtet, hatten bereits vergangenen Montag BewohnerInnen im Rathaus gegen die für den 30. September geplante Schließung des seit 436 Jahren bestehenden Heimes protestiert. Es half nicht viel. In der Bürgerschaftsdebatte am Donnerstag sagte Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel, daß es für das Heim keine Perspektive gebe. Für Peters das Signal zu handeln. „Ich zieh den Hungerstreik alleine durch“, sagt er. Seine Hausärztin habe ihm abgeraten, aber das sei ihm egal. Unter den 70 Bewohnern seien alte Menschen, die seit 15 Jahren dort leben: „Wenn die Alten hier wegmüssen, dann gehen die alle ein.“ Die Hauptbegründung für die Schließung, das Haus mit seinen kleinen Zimmern entspreche nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen, will er nicht gelten lassen: „Für uns ist das groß genug. Ich will in kein Nobel-Hotel“.
„Begeistert sind wir von dem Hungerstreik nicht. Auch aus gesundheitlichen Gründen“, sagt die Pflegerin Karin Hellings. Sie fürchtet, daß auch noch andere Bewohner zu derartigen Verzweiflungstaten greifen könnten. Doch auch die rund 40 Mitarbeiter seien über die Schließung entsetzt: „Für uns ist das wie eine zweite Familie hier“.
„Wenn es möglich wäre, würde ich das ganze Heim en bloc verlegen“, sagt auch Kapitän Peter Kunick vom Vorstand der Stiftung „Seefahrer-Altenheim“. Doch er sieht sich unveränderbaren Fakten gegenüber: Schon jetzt führe der niedrige Standard dazu, daß 21 Plätze im Heim frei blieben. Da der Personalschlüssel gehalten wurde, sei ein Defitzit entstanden, das „für die Stiftung nicht mehr aufzufangen ist“. Gravierender noch: 56 der insgesamt 88 Heimplätze entsprechen der Pflegestufe I für Menschen, die ihren Alltag ohne große Hilfe bewältigen können. Mit Inkraftreten der Pflegeversicherung in diesem Jahr, so Kunick, falle die Pflegestufe I ganz aus. Das klassische Altenheim wird es nicht mehr geben. Statt dessen werden Pflegeplätze der Stufe II und III gefördert.
Doch um solche Plätze zu schaffen, müßte das Haus an der Karpfangerstraße für acht Millionen Mark umgebaut werden. Die Kosten würden auf die Pflegesätze umgelegt und diese in nicht vertretbare Höhen schrauben. Auch soziale Einrichtungen müßten ein „Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit aufweisen“, mahnt die Sozialbehörde in einer Pressemitteilung. Das Altenheim sei seit Jahren von Vorschriften der Heim-Mindestbauverordnung befreit. Vorschriften, die „einmal als sozialer Fortschritt galten“.
Unterdessen hat sich auch die Bezirksfraktion der SPD im Bezirk Mitte eingemischt. Gerade im Kerngebiet Mitte weise der Altenheimbedarfsplan eine „erhebliche Unterdeckung“ auf, heißt es in einem Antrag der Bezirksparlamentarier. Auch sei das Heim wichtiger Bestandteil der „Sozialstruktur in Neustadt“, die seit einigen Jahren unter Veränderungsdruck steht. Eben deshalb soll noch im Sommer eine „Soziale Erhaltensverordnung“ erlassen werden, die Abbruch und Nutzungsänderung sämtlicher Bauten einem „Genehmigungsvorbehalt“ unterstellt. Die SPD-Fraktion will alle entsprechenden Anträge für das Seefahrer-Alternheim ablehen, sofern sie nicht der „notwendigen Modernisierung“ dienen“.
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