■ Nicht Vorzugs-, sondern Vollzugsbehandlung für Peter Graf: Schnaps ist Schnaps
Einer atmet auf. Harald Schmidt, der Light-Talker von Sat.1. Der hat seinen einzigen Gag behalten. Er kann weiter über Peter Graf lästern, weil der auf richterliche Weisung im Knast bleiben muß. Wegen Fluchtgefahr.
Keine Haftverschonung heißt auch keine Schmidt- Verschonung. Da muß Papa Peter durch. Aber es hätte schlimmer kommen können. Denn der Bild- Zeitung verdankt die Nation genauere Einblicke durchs Gefängnisschlüsselloch: „Graf-Knast: Sex in Frauen-Kleidern“. Im orgiastischen Knast zu Mannheim ermittelt die Kripo wegen – aufgehorcht! – Drogenhandel (!), Korruption (!!), Alkoholschmuggel (!!!) und Schnapsbrennerei (!!!!). Ein Prosit der Gemütlichkeit. Und nur ein Schelm, der Schönes dabei denkt?
Zuweilen, so ist aus gewöhnlich schlecht informierten Kreisen weiter zu erfahren, soll's dort zugehen wie andernorts beim Karneval – sie lassen die Puppen tanzen. Zwei männliche Häftlinge tragen gelegentlich Frauenkleider und empfangen aufgedonnert wie Matronen andere Insassen zur fröhlichen Balz. Nicht in Freiheit, aber als Freier. Dummerweise ist nicht überliefert, ob die auf feminin Getrimmten in kurzen Röckchen, weißen Blousons und Tennissocken zum offenen Vollzug in der Zelle schreiten.
Überliefert ist dafür anderes. Papa Grafs Anwälte sahen bei ihrem Klienten kürzlich noch die „Grenze zum Pathologischen erreicht“. Das ist Amtsdeutsch und bedeutet auf deutsch etwa: Peter Graf hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Seine einzige Chance mithin: plemplem. Das Karlsruher Oberlandesgericht sah es gestern anders und folgte damit dem Spruch der Mannheimer Richter.
Keine Vorzugsbehandlung, sondern Vollzugsbehandlung. Der Herr Graf ist demnach geistig noch
voll auf Ballhöhe und ungefähr genauso normal wie seine 889 Knastbrüder, welche, wie „Bild“ dankenswerterweise enthüllt, ganz gewöhnliche „Diebe, Zuhälter, Vergewaltiger, Totschläger“ sind. Alle völlig normal.
Kopf hoch, Peter! Was hätte das Leben in Freiheit schon mehr zu bieten gehabt? Schließlich: Knast ist nicht gleich Knast. Aber Schnaps bleibt Schnaps. Draußen wie drinnen. Und das ist doch die Hauptsache. Michael Streck
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