: Geküsse im Kartenraum
Und ewig lockt der junge Mensch: Lehrerin liebt Schüler in „Lust och Fägring Stor“ (Schön ist die Jugendzeit) von Bo Widerberg (Wettbewerb) ■ Von Detlef Kuhlbrodt
Pubertätsdramen sind zwar tausendmal interessanter als die Liebes- und Sexualgeschichten erwachsener Menschen. Sie halbwegs angemessen zu verfilmen ist jedoch ziemlich schwer, denn die Schönheit und gleichzeitig das Drama der Pubertät ist ja gerade, daß der junge Mensch noch nicht weiß, was für einen Ausdruck er den Dingen geben soll, die Körper und Geist so verwirren.
Diese Schwierigkeiten ignoriert der Wettbewerbsbeitrag des schwedischen Altmeisters Bo Widerberg mehr oder weniger durchgehend. In „Freuden der Jugend“, der Liebesgeschichte zwischen dem 15jährigen Schüler Stig (dargestellt von Johan Widerberg, dem Sohn des Regisseurs) und dessen 37jähriger Lehrerin Viola (Marika Lagercrantz) klappt das Geschlechtsleben so gut oder schlecht wie das der Erwachsenen.
Malmö 1943. Der 15jährige Stig also verliebt sich in die neue, hübsche Lehrerin und unternimmt diverse Versuche, ihr nahezukommen. Wenn sie durch die Reihen geht, um zu gucken, ob niemand abguckt, setzt er sich so, daß sie ihn berühren muß beim Vorbeigehen. In den Pausen kniet er vor dem Stuhl, auf dem sie saß, und küßt die Sitzfläche. Auch wirft er ihr verliebte Blicke zu. Die Lehrerin ist nicht abgeneigt – so beginnt irgendwann dann im Kartenraum das große Geküsse. Während seine Mitschüler noch angstfrei und mit viel Humor über die Geheimnisse der Geschlechtlichkeit rätseln, schläft Stig schon mit seiner Lehrerin. Neben dem Altersunterschied, der zunächst nicht so problematisch ist – denn das Begehren der Frauen steigert sich so ab 30, erzählt mir eine Freundin, und Teenagerjungs sind ja immer spitz – gibt es jedoch ein Problemchen. Denn Viola ist mit Frank (Thomas van Brömssen), einem ziemlich netten und phantasievollen Vertreter für Damenunterwäsche, verheiratet, der fast durchgehend mit offnem Mund durch den Film eiert und Mahler, Brahms und Beethoven liebt.
Frank trinkt und ist auch ansonsten eher ein Loser. Das Verhältnis, das seine Frau eingegangen ist, macht ihn eher traurig als wütend. So verbündet er sich mit dem jungen Nebenbuhler.
Natürlich geht das alles nicht gut: nach der Phase der geschlechtlichen Initiation hat Stig keine Lust mehr und will sich lieber mit gleichaltrigen Mädchen vergnügen. Viola ist verzweifelt, sieht im Gesicht gar nicht mehr so hübsch aus wie zuvor und bedroht Stig mit einem abgeschlagenen Flaschenhals, damit er mit ihr schläft. Das tut er dann auch ein letztes Mal. Danach rächen sich beide eher unspektakuklär aneinander.
Daß das alles 1943 spielt, hat eigentlich weiter keine Bedeutung. Die zwei Stunden des Films, der sein Thema – wenn's denn die Pubertät sein soll – kaum berührt, vergehen wie ein mittelmäßiger Song, ohne einen allzusehr zu berühren oder zu ärgern.
„Lust och fägring stor“ (Schön ist die Jugend). Schweden/Dänemark 1995, 128 Min. Regie: Bo Widerberg. Mit Johan Widerberg, Marika Lagercrantz, Thomas von Brömmsen
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