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Durchs DröhnlandKaffee bei Finnen

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Stil ist alles. Vom Cover bis zur letzten Note der CD hat man bei Spain das Gefühl, daß sich hier ein paar Jungs mit einer überaus guten musikalischen Ausbildung die Zeit vertreiben. Dann stellt man fest, daß Bassist Josh Haden Sohn des Jazz-Gitarristen Charlie ist, und versteht den gelangweilten Ausdruck der Musik. Menschen, die alles haben, machen sich ihre Probleme selbst, also verzweifeln Spain an ihrer eigenen Saturiertheit. Das ist zwar böse gemeint, aber man muß anerkennen, daß dabei eine wundervoll schillernde Hülle entsteht, die getrost darauf scheißen kann, daß sie nichts weiter zu verbergen hat als Sättigung. Melancholie ist deshalb ein so schönes Gefühl, weil es ungefährlicher ist als andere. Die Sicherheit, daß einem nichts passieren wird, tropft aus dem kalifornischen Quartett mit kleinen, hingetuschten Tönchen, die alle ihr Plätzchen im Kanon der Traurigkeit haben, ohne die Depression auch nur zu streifen.

Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Metal, die reinste Daseinsform der Jungenshaftigkeit, wird auch überleben, wenn die Insekten die Herrschaft über den Planten übernommen haben, denn was braucht es schon mehr als ein halbwegs funktionierendes Stammhirn, um mit dem Kopf im Takt zu wackeln? Wer sich noch nie der Faszination entziehen konnte, die Gitarren unzweifelhaft nun mal ausüben, hat oft lange Durststrecken überwinden müssen, bevor wieder Bands auftauchten, die nicht nur peinlich waren. In den letzten Jahren ist das besser geworden, und auch Life of Agony reihen sich fröhlich ein in eine illustre Reihe von Kapellen, die wissen, wie man losschweint, ohne daß dem Sänger gleich die Eier abgeschnitten wurden. Keith Caputo röchelt und stöhnt statt dessen immer haarscharf an den üblichen Klischees vorbei, ohne sie ganz ablehnen zu müssen. Der Metal-Stomp, den die klassische Trio-Besetzung dazu produziert, gehört zum Besten, was das Metallwarengeschäft im Moment zu bieten hat.

Mit Bif Naked, morgen, 21 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76-78, Potsdam

Zuerst dachte ich, aah, schön, die langvermißte Schrammelhoffnung aus Neuseeland, dann stellte sich raus, daß Number One Cup aus Chicago stammen. Spielen tun sie trotzdem, als kämen sie vom anderen Ende der Welt, wo Schrulligkeit scheinbar zum Selbstverständnis gehört. Denn auf einer Grundlage aus klassischen Popharmonien setzen sie neben einer nicht ganz unerwarteten Farfisa-Orgel, einem Uralt-Synthie oder einer Trompete auch schon mal Kinderinstrumente oder Fahrradklingeln ein, die dann wiederum mit leichten Noise-Anfällen konkurrieren. Und daran, daß die wiederum gar nicht lärmig klingen, merkt man plötzlich, wie weit sich Hörgewohnheiten in den letzten Jahren verändert haben.

Dienstag, 5.3., 21 Uhr, Knaack

Überaus prominente Musikanten versammeln sich unter dem Namen New Way Out. Martin Lillich am Bass und Christof Griese (Sax) spielen sich schon seit Jahren durch die Westberliner Jazz-Szene (zusammen bei Opus Pocus), dazu holten sie sich Leszek Mozdzer, der unlängst in Polen zum besten Pianisten gewählt wurde, und den Trommler Olaf Zschiedrich, der eine ganz klassische Ost-Ausbildung durchlief. Mit New Way Out demonstrieren sie reichlich ihre solide Fingerfertigkeit, sind aber auch mal in der Lage, sich zurückzunehmen und stimmungsvolle Arrangements abzuliefern, die zwischen Bebop-Hektik und cooler Besinnlichkeit taumeln.

Record Release Party, Dienstag, 5. 3., 22 Uhr, Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg

Marion legen los wie die Feuerwehr, ohne sich einen Dreck darum zu kümmern, ob es sich um einen Fehlalarm handeln könnte. Buzzcocks, Beatles und Joy Division gibt das Quintett aus Manchester als Vorbilder an, dabei kann man die beiden letzteren eigentlich gar nicht und die ersteren nur bedingt hören, dann nämlich, wenn die Gitarren jubilierend nach vorn dudeln. Ansonsten ist hier jede Menge 80er Rock zu hören, und allein das hebt Marion bedrohlich aus der Britpop-Suppe heraus.

Di., 5. 3., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Es ist lange her, daß unsere Schweizer Freunde die Kesselpauken aus dem Konservatorium entführten. Inzwischen haben sich Alboth! mit ihren vielen elektronischen Geräten zu einer der standhaftesten Bastionen der Jazz-Avantgarde mit den Mitteln des Metal entwickelt. Und während frühere Mitstreiter wie die Young Gods zu Songstrukturen zurückfanden, sucht man bei Alboth! immer noch nach Kompromissen.

Do., 7. 3., 21 Uhr, Insel, Alt- Treptow 7, Treptow

Die eigene Plattenfirma bezeichnet sie als die „wohl schlimmste finnische Kapelle seit den Leningrad Cowboys“, und wie ihre visuell beeindruckenden Vorgänger covern sie vor allem andere. Eläkeläiset heißen sie, was sich als „Die Rentner“ übersetzt, und sie begnügen sich nicht allein mit dem Nachspielen, sondern betexten die zu opfernden Songs auf finnisch. In Mitleidenschaft gezogen wurden unter anderem Judas Priest, Bon Jovi und Ministry. Musikalisch dazu umgesetzt mit Schifferklavier, dünnem Schlagzeug und Piepsorgel, was sich anhört wie die Begleitmusik bei einer Karussellfahrt auf dem Rummel. Angeblich soll sich das aber „Humppa“ nennen und eine „auf der Polka basierende Musikform“ sein, die sich vor allem bei finnischen Kaffeekränzchen ungeahnter Beliebheit erfreut. Und wenn wir ehrlich sind: Hat es die Rockmusik nicht schon längst verdient, glücklich da anzukommen?

Do., 7. 3., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg Thomas Winkler

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