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Dr. Jekyll knebelt die Stadt

■ Für das geplante Musical wird die Stadt mehr als 1,7 Mio. Mark jährlich zuschießen müssen / Knebelmietvertrag bis 2014

„Auf 1,7 Millionen Mark beschränken“ soll sich der jährliche Zuschuß für das Musical-Projekt Bremen, so haben es die Wirtschaftsförderausschüsse Anfang Februar beschlossen. Im Kleingedruckten der Planung aber ist zu erkennen, daß diese Obergrenze nie und nimmer eingehalten werden kann. „Zuschußbedarf 1,759 Millionen“ steht unter dem Strich schon in dem internen Papier, auf dem die „Rentabilitätsberechnung“ zusammengefaßt ist. Da nach dem Kostenplan der Besitzer, der Immobilien-Investor Korn, 1,6 Millionen jährlich bekommt, kann man etwas verkürzt sagen: Die Stadtgemeinde mietet das ehemalige Zentralbad am Richtweg fest bis zum Jahre 2014 – und muß zusehen, wie sie es verwertet.

Der Besitzer wäre fein heraus – in den letzten Jahren hatte er in mehreren Experimenten versucht, sein Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen und nur Pleiten erlebt: Markthalle, Astoria, Showpark ...

Die Kalkulation, bei der Bremen „nur“ 1,76 Millionen Mark Jahr pro Jahr zuschießt, ist deutlich geschönt. Obwohl der Mietvertrag bis 2014 gilt, wird die auf 48 Millionen kalkulierte Investition auf 30 Jahre (!) abgeschrieben. Ein absurder Ansatz: Niemand weiß, was aus der Musical-Landschaft in 30 Jahren werden könnte. Wenn man die Investition auch nur auf die Frist des Mietvertrages beziehen würde, kämen drei Millionen mehr an jährlichen Kosten heraus.

Zweitens: In der Kalkulation der Bremer Musical-Förderer ist eine Mieteinnahme von 300.000 Mark pro Monat angenommen. Das Vermieter-Risiko soll aber nicht der Besitzer Korn tragen, sondern eine zwischengeschaltete kommunale Musical-Firma „MIG“. Wenn die Musical-KG nur 75.000 Mark Miete zahlen kann, so das Modell, dann fließt alles nach Frankfurt in die Korn-Kasse, die MIG behält nichts.

„Es ist vorgesehen, daß die MIG einen Teil der Miete erläßt, wenn die Musical-KG die geplanten Einnahmen nicht erzielen kann. Vereinbarungen hierüber stehen jedoch noch aus“, umschreiben die Gutachter von der C&L-Treuarbeit dieses Prinzip. Entscheidend ist also die Frage, wie optimistisch die Musicalmacher Buecheler & Co. ihren Erfolg hochgerechnet haben. „Eine Überprüfung der Angaben war uns nicht möglich“, sagt die C&L-Treuarbeit, insgesamt werde von Buecheler „von einer sehr positiven Erwartung ausgegangen“. Realistisch ist also, daß die bei der Zuschußberechnung vorausgesetzte Miete von 300.000 Mark im Monat nicht erzielt werden kann.

Und weil auch die Bremer Wirtschaftsförderer skeptisch sind, haben sie Vereinbarungen getroffen: „Es ist vorgesehen, das Scheitern des Projektes bei einem Mietrückstand von 450.000 Mark anzunehmen. Sollte unter den gleichen Bedingungen das zweite Stück wiederum scheitern, verständigen sich die Parteien, ob ein neuer Produzent beauftragt oder das Musical-Projekt Bremen insgesamt als gescheitert betrachtet wird.“ Nur: In diesem Falle sitzt Bremen auf dem Mietvertrag bis zum Jahre 2014. K.W.

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