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Heiße Luft statt frischer Wind am Nil

Sudans Militärdiktator Omar Al-Baschir sucht in einer Wahl, bei der Oppositionsparteien verboten sind, die Huldigung des Volkes. Sein Symbol auf dem Wahlzettel: Ein Ventilator  ■ Aus Khartum Karim El-Gawhary

In der sudanesischen Hauptstadt Khartum herrscht trotz der heute beginnenden zwölftägigen Präsidenten- und Parlamentswahl nicht gerade Wahlfieber. Zwar hat sich die Regierung unter General Oberst Omar Al-Baschir in den letzten Wochen bemüht, die Wahlen als einen ersten Schritt hin zur Demokratie und einen Weg von der internationalen Isolierung zu deuten, aber zumindest in Khartum scheint sie noch Überzeugungsarbeiten leisten zu müssen. Nur wenige Plakate säumen die Mauern der Innenstadt. Sie rufen nicht etwa dazu auf, für diesen oder jenen Kandidaten zu stimmen, sondern appellieren dafür, überhaupt zur Urne zu gehen. In den hinteren Seiten der Tageszeitungen werben Unverdrossene für ihre Kandidatur, während auf den Titelseiten islamische Rechtsgelehrte die Wahl zur religiösen Pflicht erklären.

Insgesamt 41 Kandidaten haben sich für das Präsidentenamt ins Rennen geworfen. Mobile Wahllokale sollen nun alle paar Tage weiterziehen und auf diese Weise auch in den entferntesten Winkeln des flächenmäßig größten afrikanischen Landes potentielle Wähler erreichen. Sie werden in den nächsten zwölf Tagen alle zwei bis drei Tage ihre Lokalität wechseln. „Eine echte logistische Herausforderung“, sagt Richter Zein Al- Nahas, der Vorsitzende des Zentralen Wahlkomitees.

Das Ergebnis des Ganzen wird nicht vor dem 20. März erwartet. Aber was es sein wird, steht außer Frage: Der alte Präsident wird auch der neue. Niemand in Khartum würde heute ernsthaft eine Wette gegen den Sieg des „Ventilators“, das Symbol des Staatschefs Omar Al-Baschir auf dem grünen Wahlzettel, abschließen. „Al-Baschir ist der einzige bekannte und ernstzunehmende Kandidat für die Präsidentschaft“, gibt ein Angestellter beim Staatsinformationsdienst zu. Zehn Präsidentschaftskandidaten klagten letzte Woche denn auch wegen unlauteren Wettbewerbs eine gerichtliche Aufhebung der Wahlen ein: Al-Baschir, forderten sie, solle offiziell als Präsident zurücktreten und sich erst dann den Wahlen stellen. Der oberste Gerichtshof lehnte zwei Tage vor der Wahl die Beschwerde als unbegründet ab.

Manche Kandidaten, wie Sultan Kigab, ein sudanesischer Schwimm-Champion, machten trotzdem unbeirrt Wahlkampf – ganz in seinem Element: „Der Sudan ist am Ertrinken und ich will ihn davor retten“, erklärte der Schwimmer vor wenigen Tagen im sudanesischen Staatsfernsehen.

Neben Al-Baschir sollen die SudanesInnen auf einem zweiten weißen Wahlzettel auch ein Parlament wählen. Über 900 Kandidaten im Norden und 98 im vom Bürgerkrieg zerrissenen Süden sind für 275 Sitze angetreten. Um die 50 unter ihnen haben bereits ihren Sieg in der Tasche – mangels Gegenbewerbern. Weitere 125 Plätze im 400sitzigen relativ machtlosen Parlament wurden bereits im Vorfeld von der Regierung vergeben. In den Teilen des Südens, die von den südsudanesischen Rebellen kontrolliert werden, findet überhaupt kein Urnengang statt. Offiziell fällt die Wahl in elf der 275 Wahlkreisen aus, „aufgrund von Problemen in der Sicherheitslage“, wie es Wahl-Chef Zein Al-Nahas vorsichtig in seinem Khartumer Büro formuliert. Ansonsten macht er einen kurzen Ausflug durch die neuere Geschichte des Nillandes, in dem Al-Baschir zusammen mit den Islamisten der Nationalen Islamischen Front vor sieben Jahren die demokratisch gewählte Regierung von Ministerpräsident Sadiq Al-Mahdi in einem Militärputsch gestürzt hatte. „Wir haben das gescheiterte Experiment des Vielparteiensystems ausprobiert, dann haben wir es mit dem Einparteiensystem versucht und jetzt ist die Zeit für ein individuelles Wahlsystem gekommen“, erklärt Al- Nahas.

Alle Kandidaten stellen sich als Einzelpersonen, nicht als Parteimitglieder – eine direkte Konsequenz aus der Tatsache, daß Oppositionsparteien verboten sind. Sie haben aus dem Exil zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Die Wahlen seien ein „theatralischer Witz“, erklärt Faruq Aba Eissa, der Vorsitzende der National-Demokratischen Allianz, dem Zusammenschluß der nordsudanesischen Opposition in der ägyptischen Hauptstadt Kairo.

Viel scheint auch der Angestellte beim Staatsinformationsdienst nicht zu erwarten. „Das größte Problem für uns könnte die niedrige Wahlbeteiligung werden“, sieht er offen voraus. Dabei mag er auch die letzte sudanesische Wahlerfahrung im Hinterkopf haben. Bei den Lokalwahlen im letzten Jahr steckten sogar offiziellen Angaben zufolge nur 29.000 der 1,5 Millionen potentiellen WählerInnen in Khartum einen Stimmzettel in die Urnen.

In Oppositionskreisen in Khartum kursiert der Witz, nach dem Wahlen wie Hotels klassifiziert werden. In Israel und Rußland finden dieses Jahr Fünf-Sterne-Wahlen statt. Dort können sie eine echte politische Veränderung herbeiführen. Die meisten afrikanischen Länder erwerben nur ein oder zwei Sterne und der Sudan hat sich nicht für einen einzigen qualifiziert. Denn: Mit oder ohne Wahlen – daß „Ventilator“ Al-Baschir nach sieben Jahren Diktatur neuen Wind am Nil bläst, glaubt niemand.

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