: Spanien foltert weiter
■ Europarat erhebt schwere Vorwürfe gegen paramilitärische „Guardia Civil“
Straßburg (AFP/dpa) – Mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Franco-Regimes wird in den Zellen der spanischen Polizei und der „Guardia Civil“ noch immer mit Elektroschocks an Genitalien und anderen Körperteilen, Betäubungsgas, Erstickungsfolter mit Plastikhauben über dem Kopf oder Eintauchen des Kopfes in Wassereimer gefoltert. Zu diesem Schluß gelangt das Anti-Folter- Komitee des Europarats in einem gestern in Straßburg veröffentlichten Bericht. Mehrere Mitglieder des Komitees hatten bei drei Inspektionsreisen 1991 und 1994 Polizeistationen, Einrichtungen der paramilitärischen „Guardia Civil“ und Gefängnisse in verschiedenen spanischen Städten besucht.
Dabei erfuhren sie von zahlreichen Fällen schwerer körperlicher, aber auch seelischer Mißhandlungen, in erster Linie von mutmaßlichen Mitgliedern der Terroristenvereinigung ETA. Vor allem in den Hauptquartieren der dem spanischen Verteidigungsministerium unterstehenden „Guardia Civil“ in Madrid und Bilbao seien dem Komitee schwere Fälle von körperlicher Mißhandlung Inhaftierter berichtet worden, heißt es. Unter anderem seien Festgenommene nach eigenen Aussagen mit schweren Gegenständen geprügelt, mit heißem Wasser verbrüht, mit Plastiktüten halb erstickt oder an den Füßen aufgehängt worden. In vielen Fällen wurden Spuren von Wunden festgestellt, die diese Aussagen bekräftigten.
Das Anti-Folter-Komitee berichtet auch vom Einsatz von Betäubungsgas gegen Häftlinge, die als besonders widerborstig oder gefährlich gelten. Aufseher in dem bei Madrid gelegenen Alcala- Meco-Gefängnis beispielsweise sprühten nach übereinstimmenden Berichten von Betroffenen häufig solches Gas in die Zellen, betraten diese dann mit Gasschutzmasken und ketteten die wehrlosen Insassen mit Eisenringen an Betten oder Tischen an.
Insgesamt habe sich die Situation in Spanien seit der ersten Inspektionsreise des Komitees im Jahre 1991 zwar verbessert, heißt es in dem Bericht zusammenfassend. Doch seien Folter und Mißhandlungen bei weitem noch nicht „ausgerottet“. Die spanische Regierung erklärte zur Rechtfertigung, daß „Mitglieder der Terrororganisation ETA dazu angehalten werden, bei der Festnahme systematisch über Folter oder Mißhandlung zu klagen“. Allerdings seien von 1992 bis 1994 im Zusammenhang mit mutmaßlichen Mißhandlungen 54 Disziplinarverfahren gegen Beamte eingeleitet worden. 23 von ihnen seien vor Gericht gestellt worden. 13 der Angeklagten seien für schuldig befunden und verurteilt worden.
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