: „Ein Prozeß der Zersetzung“
■ Der iranische Literat Abbas Maarufi über die Wahlen, Zensur und die abnehmenden Einflußmöglichkeiten der Intellektuellen
Abbas Maarufi (38) ist der bekannteste Literat des Iran. Er ist der Herausgeber der kritischen Literaturzeitschrift „Gardun“, die im Januar verboten wurde. Weil „Gardun“ angeblich Lügen über die Islamische Republik verbreitete und der geistliche Führer des Iran, Ali Chamenei geschmäht wurde, verurteilte das Teheraner Gericht für Presseangelegenheiten Maarufi zu 20 Peitschenhieben und sechs Monaten Haft.
taz: Das Urteil gegen Sie und „Gardun“ erfolgte kurz vor den Parlamentswahlen.
Maarufi: Ich wurde benutzt, um der Rafsandschani-Fraktion einen Hieb zu versetzen. Die Kläger gehören zu jenen, die jetzt an der Macht sind.
Gehen Sie wählen?
Nein, denn die beiden Fraktionen unterscheiden sich nicht grundsätzlich. Für mich ist der Repräsentant des Staatsapparates Herr Aschari, der stellvertretende Leiter des Ministeriums für Religiöse Führung. Gegenüber dem UN-Menschenrechtsbeauftragten für den Iran hat er vor wenigen Tagen erklärt, er hätte mich in dem Gerichtsprozeß verteidigt. Das war die Unwahrheit. Zudem hat er gegenüber der konservativen Tageszeitung Kayhan behauptet, er habe Gardun mehrmals gewarnt, auch das stimmt nicht.
Viele westliche Politiker sagen, solange Rafsandschani im Iran das Sagen hat, sei es um politische Rechte besser bestellt. Was könnte die deutsche Regierung tun, damit sich diese Hoffnung erfüllt?
Sie sollte bei Gesprächen mit iranischen Politikern diese darauf hinweisen, ihre eigenen Gesetze zu beachten.
Könnte wirtschaftlicher Druck helfen?
Der bisherige wirtschaftliche Druck – sei es von den USA oder Europa – hat in keinster Weise das Regime getroffen, sondern nur die iranische Bevölkerung.
Erstaunlich an dem Verbot von „Gardun“ ist, wie scharf die iranische Führung auf Kritik aus dem intellektuellen und laizistischen Lager reagiert, aber gleichzeitig scharfe Angriffe von Islamisten hinnimmt.
Die islamischen Zeitungen dienen als Sicherheitsventil. Bei uns geht es dagegen um grundlegende Debatten. Unsere Zeitung landet nicht im Papierkorb, sondern in den Archiven. Deshalb trifft die Führung Kritik aus unserer Zeitung mehr als von Seiten der Islamisten.
Heißt das, ihre Position stellt die Grundlagen der Islamischen Republik in Frage und die der Islamisten nicht?
Nein. Die herrschende Ideologie stellen andere in Frage, wir nicht. Wir schreiben und sprechen nur über Freiheiten. Wir glauben, daß die iranische Verfassung im Prinzip fortschrittlich ist. Wäre sie verwirklicht worden, hätten wir hier ein freies Land. Übrigens wird auch islamische Kritik nicht immer geduldet. In letzter Zeit sind auch zwei linksislamische Zeitungen verboten worden.
Welche Möglichkeiten haben die Intellektuellen in Zukunft noch im Iran?
Sie verlieren an Bedeutung. Weil sie Probleme mit der Veröffentlichung ihrer Gedanken und ihrer Bücher haben, findet ein Prozeß der Zersetzung statt. Die kritischen Zeitungen werden Schritt für Schritt geschlossen. Andersdenkende werden Tag für Tag mit mehr Einschränkungen konfrontiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen