: Liebe zum Bus hat Tradition
■ Die Insellage Berlins machte den Bus zum beliebten Verkehrsmittel. Heute stagnieren die Umsätze bei Pauschalreisen, aber der Linienfernverkehr wird zur Goldgrube
Berlin ist die Stadt der Busreisenden. Keine andere deutsche Stadt wird von mehr Reisebussen angesteuert. Mit großer Vorliebe steigen die BerlinerInnen auch selbst in den Bus – egal wohin: Im Linienverkehr billig nach Hamburg oder in den Urlaub an die Costa Brava. Die Liebe zum Bus hat Tradition, denn die einstige Insellage machte ihn zum Verkehrsmittel Nummer eins, und der Busboom nach der Maueröffnung tat ein übriges. Und wenn die Luxusliner-Branche heute teilweise über stagnierende oder sinkende Passagierzahlen klagt, ist das Jammerei auf hohem Niveau.
„Man hat vermieden, mit der Bahn zu fahren“, erinnert sich Volker Breckwoldt von Haru-Reisen an Mauerzeiten. Nicht nur weil ein moderner Westbus bequemer als ein ruckelnder Eisenbahnwaggon und billiger als ein Flugzeug war. Nein, auch „weil man der Reichsbahn das Geld nicht geben wollte“. Dann fiel die Mauer, und es waren kaum genügend Busse aufzutreiben, um den Reisedrang der Ex- DDR-BürgerInnen zu stillen. „Wir hatten damals eine Steigerung um über 100 Prozent in allen Programmteilen“, sagt Bernd Ritdorf von der Bus-Verkehr-Berlin. „Unser Vorteil war, daß wir die Reisen fix und fertig in der Schublade hatten.“
Zwei, drei Jahre klingelten die Kassen über die Maßen. Seither pendelt sich die Nachfrage auf einem Niveau ein, das weit über dem der Vorwendezeit liegt.
Der Boom einer anderen Sparte scheint dagegen erst begonnen zu haben: Der Linienverkehr wird immer mehr zur Goldgrube. „Auf der Strecke nach Hamburg haben wir seit 1993 Steigerungen um über 500 Prozent“, freut sich Volker Breckwoldt. Der Umsatz von Haru-Reisen im Linienverkehr stieg seit 1989 um rund 50 Prozent. Der Reiseanbieter ist an „Berlin Linienbus“ beteiligt, die ihr Netz ständig ausbaut. Auf 28 Linien mit 14.000 Kilometer Länge werden über 250 Ziele angefahren – westdeutsche Städte ebenso wie Sofia oder Amsterdam. Der Grund für den Erfolg liegt auf der Hand, oder besser: im Geldbeutel. Kommt doch beispielsweise ein Student schon für 99 Mark nach Paris, während das Zugticket 250 Mark kostet.
Bei solchen Preisvorteilen müssen die Unternehmer gar nicht an die große Glocke hängen, daß ein Bus meist sogar ökologischer fährt als ein Zug. Über Distanzen bis zu 1.000 Kilometer hat der Bus im Ökorennen die Nase vorn, wenn auch abhängig von der Auslastung. Nachzulesen ist das in einer Studie, die von der Bahn herausgegeben wurde.
Wenn bei Buspauschalreisen dagegen der Umsatz stagniert, gibt es mehrere Gründe. Nicht nur „der Reiz des Neuen ist verloren“, sagt Bernd Ritdorf. Auch die Konkurrenz wird ständig größer. Im Wettbewerb mit dem Flugzeug löst sich der einstige Preisvorteil des Busses immer mehr in Luft auf. Dank der Konkurrenz unter Fluglinien läßt sich schon für 800 Mark nach New York jetten. Und mühelos sind Länder wie Tunesien zu erreichen, in denen ein luxuriöses Hotelzimmer nicht mehr kostet als eine karge Absteige in den Alpen, einem der typischen Busziele. Die allgemeine wirtschaftliche Situation tut ein übriges, weiß Jörg Schaube, Geschäftsführer von Touristika: „Die Leute sparen auch beim Reisen, vor allem bei der Zweit- oder Drittreise.“ Und das waren in der Regel Städtetouren und Wochenendtrips – mit dem Bus.
Die Konkurrenz unter den 198 Berliner Busunternehmen drückt sich für die Reisenden aber nicht nur in günstigen Angeboten aus. Sie kann auch fatale Folgen haben, wenn das Busunternehmen am Personal spart, keinen zweiten Fahrer auf Mammuttouren etwa nach Spanien mitschickt und der eine, genötigt vom Chef, seine Lenkzeit gefährlich überschreitet. „Die Fahrer sind teilweise 15 bis 17 Stunden unterwegs“, berichtet Christian Hohensee von der ÖTV. Empfindliche Strafen für solche Unternehmen sind selten.
Ende der achtziger Jahre wurde einem großen Berliner Reiseanbieter die Konzession entzogen, wegen permanenter Verstöße gegen die Lenkzeitvorschrift. Daraufhin wanderte die Firma nach Bayern ab. Heute sitzt sie im Berliner Umland und fährt wieder Berliner Kunden. Bernd Kastner
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