■ Pharisäer der Woche: Schlecht ist die Welt
Die Kreuzberger Sozialdemokraten können einem wirklich leid tun. Bei der Besetzung des Bezirksamts durch die CDU und das Bündnis 90/ Die Grünen seien sie von einer „Koalition des Bürgertums“ ausgetrickst worden, jammert der SPD-Kreisvorsitzende Wagner als Speerspitze des Proletariats. Die Arbeiterklasse, die bei den Kreuzberger Sozis beim Oberstudienrat aufwärts beginnt, darf Wagner danken für die schonungslose Aufdeckung der grün- schwarzen Intrige. Wo sich die SPD doch seit vier Monaten stets „darum bemüht (hat), ein ausgewogenes Verhältnis der Verantwortlichkeit“ im Bezirk zu erreichen. Tja, proletarische Bescheidenheit kommt eben unter den Hammer des Kapitals.
„Machtpolitik statt Bezirkspolitik“ sei es, wenn die CDU den Grünen nicht nur zum Amt des Bürgermeisters verhilft, sondern diesem auch noch die wichtigsten Teile des Bauressorts überläßt. Wo die SPD doch klar drittstärkste Partei ist und die Grünen eigentlich gar nicht so richtig Wahlsieger. Außerdem, so erinnert sich jeder, hatte die SPD doch nur ganz, ganz vorsichtig angefragt, ob die Grünen nicht bitte schön auf Spitzenkandidatin Erika Romberg verzichten könnten, ganz unverbindlich, versteht sich. Bei der Ressortverteilung sollten sie auch nur etwas bescheidender sein. Und nun sind die Grünen so nachtragend.
SPD-Chef Wagner sagt, wie es wirklich war: „Die SPD hatte das von Bündnis 90/ Die Grünen und der CDU wechselseitig vorgetragene Ansinnen zurückgewiesen, sich jeweils zu Lasten des Dritten mit der SPD zu einigen.“ So schlecht ist die Welt. Womöglich erinnern die Grünen auch noch daran, wie die SPD 1985 die Wahl des AL-Mannes Orlowsky zum Baustadtrat verhinderte, bis die CDU aushalf. Also echt negativ, diese Grünen. Gerd Nowakowski
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